Naturschützer gegen Volksinitiative für mehr Kleinwasserkraftwerke
Eine neue Volksinitiative will den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen. Naturschützer warnen: Diese sei teuer, ökologisch schädlich und unnötig.
Das Wichtigste in Kürze
- Bürgerliche Kreise lancieren eine Volksinitiative für mehr erneuerbaren Strom.
- Im Fokus stehen offenbar Kleinwasserkraftwerke.
- Pro Natura warnt vor fatalen Folgen für die Umwelt.
Die neuste, heute lancierte Volksinitiative trägt den sperrigen Titel «Jede einheimische und erneuerbare Kilowattstunde zählt». Sie will die Versorgung mit einheimischem Strom zum nationalen Interesse erklären und dies so in der Verfassung verankern. Die Arbeiten des Parlaments auf Gesetzesstufe seien ungenügend, bemängeln die Initianten.
Klare Absage von Naturschützern
Bemängelt wird die Initiative umgekehrt aber von Naturschützern: Teuer, ökologisch schädlich, unnötig und eine Augenwischerei nennt sie Michael Casanova, Energie- und Gewässerschutzexperte bei Pro Natura. Zusammen mit Organisationen wie dem WWF oder dem Fischerei-Verband warnt Pro Natura immer wieder insbesondere vor Kleinwasserkraftwerken.
Genau um diese gehe es den Initianten, obwohl dies im Initiativtext nicht explizit erwähnt wird. «Ziel scheint der teure und ökologisch schädliche Totalausbau der (Klein-)Wasserkraft und anderer Anlagen zu sein.» Dies auf Kosten der bereits stark beeinträchtigten Gewässerlebensräume, so Casanova. «Die Initiative wäre eine weitere Katastrophe für die akut bedrohte Biodiversität.»
Pro Natura: «kurzsichtig und brandgefährlich»
Tatsächlich sitzen im Initiativkomitee primär Vertreter des Verbands «Small Hydro», der Interessensvertreter von Kleinwasserkraftwerken also. Sie betonen, andere nationale Interessen würden durch die Initiative nicht ausgehebelt. Dies mag Michael Casanova so nicht gelten lassen.
In der Bundesverfassung sei die Gleichwertigkeit von Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit bei der Energieversorgung bereits verankert. Ein neuer Artikel sei deshalb unnötig – ausser man wolle eben doch den Vorrang der Energieproduktion vor dem Umweltschutz. Und genau dies fordere die Übergangsbestimmung, welche alle anderen Interessen unterordnen will, bis das Produktionsziel der Initiative erfüllt ist.
Das habe fatale Folgen für die Natur: «Denn was einmal zerstört ist, wird irreversibel zerstört sein.» Bereits 95 Prozent der Fliessgewässer würden für die Wasserkraft genutzt, aber noch immer rund 30 Prozent der Energie verschwendet. Die Initiative sei eine Farce, «kurzsichtig und brandgefährlich».
Naturschützer wollen nicht Sündenbock sein
Besteht durch den Widerstand gegen lokale, dezentrale Stromproduktion nicht die Gefahr, dass die Naturschutzorganisationen als «Bremsklötze» dastehen? «Die Initiative gaukelt vor, eine naturverträgliche Energiewende anzustreben, aber zielt genau auf das Gegenteil ab», kontert Casanova. Energiewende gehe auch naturverträglich: Mit Solarenergie auf bereits bebauter Fläche, mehr Energieeffizienz und weniger Energieverschwendung.
Solches fordere man seit Jahrzehnten. Doch die Initiative sei nur mit einem Kahlschlag in Natur und Landschaft umsetzbar. «Das jetzt gerade jene Politiker, die bisher gebremst haben, uns die Schuld zuweisen wollen, ist dreist.»