Parlament befürwortet eigenen Straftatbestand gegen Stalking
Das Parlament debattiert derzeit über die Einführung eines neuen Straftatbestands, der gezielt Stalking und dessen rechtliche Konsequenzen regeln soll.
Das Parlament will Opfer von Stalking besser schützen. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat der Schaffung eines eigenen Straftatbestandes gegen Nachstellungen zugestimmt. In zwei wichtigen Punkten wich er jedoch vom Beschluss der grossen Kammer ab.
In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat die Gesetzesänderung mit 32 zu 7 Stimmen bei einer Enthaltung an. Als Nächstes muss sich der Nationalrat erneut mit der Sache befassen.
Erarbeitet hat den Erlass zum Straftatbestand der Nachstellung die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats (RK-N). Wer jemanden beharrlich verfolgt, belästigt oder bedroht, und ihn dadurch in seiner Lebensgestaltungsfreiheit beschränkt, soll gemäss ihrem Entwurf mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft werden können.
Der Ständerat möchte diese Definition ändern. Demnach soll es ausreichen, dass eine Verhaltensweise geeignet ist, jemanden in seiner Lebensgestaltungsfreiheit zu beschränken. Der Nachweis, dass beim Opfer diese Wirkung tatsächlich erzielt wird, wäre für eine Bestrafung nicht vonnöten.
Kritik am Vorschlag
Die vorberatende Ständeratskommission war der Ansicht, Täter und Täterinnen sollten nicht von der besonderen Resilienz des Opfers profitieren können.
Anders als der Nationalrat möchte der Ständerat, dass Stalking nur auf Antrag des Opfers hin strafrechtlich verfolgt wird. Die gleiche Haltung vertritt auch der Bundesrat. Es solle nicht gegen den Willen eines Opfers ein Verfahren eingeleitet werden, argumentierte die Landesregierung.
Der Nationalrat hatte sich in der Sommersession dafür ausgesprochen, bei Stalking in Paarbeziehungen eine Verfolgung von Amtes wegen vorzusehen. Verschiedene Rednerinnen verwiesen damals darauf, dass Stalking oft mit häuslicher Gewalt in Zusammenhang stehe und etwa bei einfacher Körperverletzung die gleiche Regelung gelte.
Aufgrund der schnellen Entwicklung der sozialen Medien habe Stalking in den letzten Jahren zugenommen, sagte Céline Vara (Grüne/NE) namens der vorberatenden Kommission. Betroffen seien häufig Jugendliche, aber auch Frauen. Das heutige Strafrecht spiegle die Rolle, die hierbei die Beharrlichkeit der Täter oder Täterinnen spiele, nicht wider.
Gegenstimmen zur Gesetzesänderung
Eine Minderheit der Ständeratskommission bestehend aus Pirmin Schwander (SVP/SZ) und Daniel Jositsch (SP/ZH) beantragte erfolglos Nichteintreten auf die Vorlage.
Die entscheidende Frage sei, ob ein neuer Straftatbestand den Opferschutz tatsächlich verbessere, sagte Schwander. Die Erfahrungen im Ausland gäben auf diese Frage keine eindeutige Antwort.
Schwander gab ausserdem zu bedenken, die Definition von Stalking sei relativ offen. Im Einzelfall würden Gerichte auch bei Annahme der Vorlage zu entscheiden haben, ob heute schon bestehende Tatbestände wie etwa Nötigung erfüllt seien. Die bestehende gesetzliche Grundlage zur Verfolgung von Stalking reiche darum aus.
«Stalking ist mühsam, niemand hilft einem», sagte Jositsch. Auch er selbst habe schon entsprechende Erfahrungen gemacht. Der Zürcher Ständerat warnte aber vor Aktivismus: «Ich kann ihnen garantieren, dass das nichts nützt», sagte er mit Bezug auf die Stalking-Vorlage.
Zivilrecht als Alternative?
Jositsch gab zudem zu bedenken, dass das Zivilrecht schon heute Annäherungs- und Kontaktverbote zulasse. Hier müsse man ansetzen und ermöglichen, dass die Polizei sofort eingreifen könne. Der SP-Politiker kritisierte, das Strafrecht sei in derartigen Fällen zu langsam. In der konkreten Situation helfe es niemandem, eine Anzeige machen zu können, auf die nach anderthalb Jahren vielleicht ein Urteil folge.
Der Bundesrat war ursprünglich skeptisch gegenüber einem Stalking-Straftatbestand, beantragte aber Eintreten. Die Vernehmlassung habe gezeigt, dass das Bedürfnis danach gross sei, sagte Justizminister Beat Jans.
Mit dem neuen Gesetz könne sich auch eine eigene Rechtsprechung zur Nachstellung entwickeln, was positiv sei. Jans warnte jedoch vor zu hohen Erwartungen an die neue Strafnorm. Die Beweisführung in derartigen Fällen werde schwierig bleiben.