Parlamentarier wollen Jugendliche zum Impfen motivieren
Impftermine bleiben frei, dabei können sich jetzt auch Jugendliche pieksen lassen. Sollte gezielter Werbung gemacht werden?
Das Wichtigste in Kürze
- Zögerliche Jugendliche: Trotz freien Impfterminen melden sich viele nicht für die Impfung.
- Parlamentarier zeigen zwar Verständnis, doch sei die Impfung der Jugendlichen zentral.
- «Impfluencer» sollen gezielt die jüngeren Bevölkerungsgruppen ansprechen.
Rund zwei Drittel der 16- und 17-Jährigen haben sich im Kanton Zürich für die Impfung gegen das Coronavirus registriert. Der Impfstoff von Pfizer ist neu auch schon ab 12 Jahren zugelassen. Trotzdem üben sich die Teenies eher in unjugendlicher Zurückhaltung. Trotz freier Impftermine, die im Kanton Bern sogar spezifisch für diese Altersgruppe offengehalten werden.
Gemäss Impfstrategie sollte sich aber jede Altersgruppe zumindest teilweise impfen lassen. Werden die Jungen genügend umworben? In den Sozialen Medien kursiert viel Skepsis à la «das Coronavirus ist für mich ja kein Risiko». Und gerade die grossen Kantone Bern und Zürich verschicken keine Reminder-SMS an bereits Registrierte.
Verkennen Jugendliche Gefahr?
6000 Impftermine hat der Kanton Bern extra für die «Impfgruppe R» reserviert, die 16- bis 17-Jährigen. Davon wurde die Hälfte erst gebucht, obwohl sich über 6000 Jugendliche ursprünglich registriert haben. Melden sich die übrigen 3500 Jugendlichen nicht, werden die Termine anderen Gruppen vergeben, erklärt Gundekar Giebel, Sprecher der Gesundheitsdirektion.
Jugendliche orientierten sich einerseits stark am Verhalten ihrer Kollegen, stellt Giebel fest. «Zudem stelle ich fest, dass die Jugendlichen sich den Gefahren des Coronavirus weniger bewusst sind.»
#Coronavirus
— Kanton Bern (@kanton_bern) June 10, 2021
Letzter Aufruf für die 16- und 17-Jährigen (Gruppe R), ihren Termin zu buchen. Die verbleibenden Termine werden ab morgen Freitag für alle anderen Impfgruppen buchbar sein.
➡️ Anmeldung: https://t.co/qSN0UPgSO1 #covid19 #CoronaInfoCH pic.twitter.com/uw4DwIDfjH
Dabei werde unterschätzt, dass auch Jugendliche und Kinder Virenträger sein könnten und zur Verbreitung des Virus beitrügen, oft ohne Symptome. Weil im Kanton Bern eine grosse Nachfrage nach Terminen bestehe, müsse man derzeit aber keine «Reminder-Aktionen» durchführen, so Giebel.
Viel Verständnis bei Parlamentariern
Die (noch) etwas zögerlichen Jugendlichen können indes auf einfühlsame Politiker zählen. GLP-Nationalrätin Melanie Mettler kann nachvollziehen, dass viele Jugendliche aufgrund der langen Einschränkungen frustriert seien. Desgleichen zeigt Mitte-Nationalrat Lorenz Hess Verständnis: «Einerseits, weil man bei ihnen anfangs etwas einen Slalomkurs gefahren ist – das verunsichert. Andererseits haben sie sich vielleicht nicht so vertieft mit dem Thema auseinandergesetzt wie wir alten Hasen.»
Ob die Kampagnen zielführend sind, wollen beide Gesundheitspolitiker nicht beurteilen. Dass es sie aber gibt, begrüsst Mettler. Legitim seien sie allemal, betont Hess: «Solange es Motivations- und Infokampagnen sind und sie allein der Sensibilisierung dienen. Denn zwingen kann man eh niemanden.»
«Impf-fluenzer» sollen Jugendliche ansprechen
Kritischer sieht es SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen. Sie weist darauf hin, dass man ja gewusst habe, dass dereinst dieser Moment kommen werde. «Der Moment, wo es nicht um direkt gefährdete Personen, sondern um den Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie aus Solidarität geht.»
Deshalb müsse jetzt die Kampagne ganz gezielt auch darauf abzielen. «Zum Beispiel mit gleichaltrigen, populären ‹Impfluencern› die Jugendlichen abholen.» Immerhin, betont Wasserfallen, wäre die Impfung für die Jugendlichen nicht nur selbstlos, im Dienste der Gesellschaft. «Sie profitieren schliesslich auch von der hohen Impfquote, wenn sie dadurch ihre Freiheiten geniessen können.»
Reminder-SMS geht technisch nicht
Die drei Nationalräte sitzen nicht nur gemeinsam in der Gesundheitskommission, sondern vertreten alle auch den Kanton Bern im Rat. Dass dieser wie Zürich auf die Eigeninitiative der registrierten Impfwilligen baut, statt Reminder zu verschicken, sehen sie nicht als Manko. «Ich denke, Jugendliche erreicht man über Social Media besser als per SMS. Und da ist der Kanton Bern recht gut präsent», sagt Melanie Mettler.
Komme dazu, dass dem verwendeten System «VacMe» Grenzen gesetzt seien, betont Lorenz Hess. «Meines Wissens geht das technisch nicht, dass man alle gleichzeitig auffordert für einen Impftermin. Klar, das gibt Unzufriedene. Aber die gibt es auch, wenn alle Jugendlichen unmittelbar nach einer Push-Meldung ihren Termin buchen wollen und das System zusammenbricht.»
Impfung der Jugendlichen zentral
Auch wenn vor einem Jahr die Jugendlichen nicht im Fokus der Pandemiebekämpfung standen, sei die Impfung nichtsdestotrotz nun wichtig. Man müsse unterscheiden, sagt Hess: «Damals ist man von der Gefährdung ausgegangen, jetzt geht es aber um die Herdenimmunität. Da müssen auch die Jungen ihren Beitrag leisten.»
Bei allem Verständnis für den Frust der Teenager nach einem Jahr Einschränkungen bleibt Mettler aber zuversichtlich. Denn die Impfung sei nichts weniger als der zentrale Schritt zurück zu Normalität. «Ich bin optimistisch, dass viele Jugendliche das genauso sehen und sich noch impfen lassen.»