Polit-Aufstand gegen Bersets geschwärzte Impfstoff-Verträge
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bund hat die Impfstoff-Verträge publiziert, aber das Wichtigste geschwärzt.
- Details über Preise oder Haftungsfragen werden so bewusst geheim gehalten.
- SP-Nationalrätin Sarah Wyss sieht kaum einen Mehrwert für die Öffentlichkeit.
Über Jahre hinweg spekulierte die Öffentlichkeit, wie genau die Verträge zwischen dem Bund und den Impfstoff-Herstellern ausformuliert sind. Wie hoch sind die Preise, wie ist die Haftung bei Nebenwirkungen geregelt?
Nun hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Verträge auf einen Schlag im Internet publiziert. Es handelt sich um hunderte Seiten von Abmachungen des Bundes mit Moderna, Pfizer, AstraZeneca und anderen Impfstoff-Herstellern.
Praktisch alle interessanten Passagen in den Verträgen sind allerdings geschwärzt. So finden Interessierte kaum neue Details zu den Preisen oder zu Haftungsfragen im Falle von Nebenwirkungen der Impfung.
SP-Nationalrätin: «Kaum ein Mehrwert für Öffentlichkeit»
Das sorgt im Bundeshaus für Ärger. SP-Nationalrätin Sarah Wyss, welche als Vize-Präsidentin der Finanzkommission Unregelmässigkeiten bei Vertragsabschlüssen untersuchte, schüttelt den Kopf. «Die Schwärzung ist massivst und unter diesen Umständen hat die Veröffentlichung kaum einen Mehrwert für die Öffentlichkeit», sagt sie zu Nau.ch.
Aus ihrer Sicht sei es zentral, dass die Kontrollorgane bei Verträgen ihre Arbeit wahrnehmen können. «Dieser Fall zeigt aber vor allem, wie abhängig wir bei lebenswichtigen Produkten von einzelnen Firmen sind», so Wyss. Sie spricht von einer Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und der Beschaffung.
Sollte der Bund die wichtigen Infos der Impfstoff-Verträge offenlegen?
Sie erwarte aber, dass Verträge so abgeschlossen werden, dass sie zumindest grösstenteils veröffentlicht werden können. «Schliesslich werden sie durch die öffentliche Hand mit Steuergeldern bezahlt», so die SP-Frau.
SVP-Aeschi will die «Risiken» kennen
Kritik am Vorgehen von Alain Bersets BAG gibts nicht nur aus seiner SP. Auch SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi ist höchst ungehalten. «Ich will wissen, welche Risiken der Steuerzahler zu tragen hat», erklärt der Zuger Nationalrat der «NZZ». Schliesslich gehe es um potenziell grosse finanzielle und gesundheitliche Folgen, falls die Impfstoffe Schäden verursachten.
Gesundheitsminister Alain Berset wehrte sich bereits im Parlament gegen eine Offenlegung. Das würde zwar die Transparenz erhöhen, aber laufende Verhandlungen würden massiv erschwert. Dies könne dazu führen, dass der Schweiz der Zugang zu den neusten Impfstoffen erschwert würde.
Mitte gegen «unwürdige Polemik» und «Transparenz-Aktivismus»
Verständnis für diese Argumentation zeigt die Mitte-Partei. Nationalrätin Ruth Humbel sagt, die Verträge hätten von der Geschäftsprüfungskommission sowie der Finanzdelegation geprüft werden können. «Die demokratisch legitimierte Kontrolle funktioniert», so die Gesundheitspolitikerin auf Anfrage.
«In der Abwägung von Vor- und Nachteilen einer Veröffentlichung der Verträge beurteile ich die Nachteile grösser als den Nutzen», erklärt Humbel. Denn im Nachhinein würden «alle alles besser wissen», was eine «unwürdige Polemik» lostreten würde.
Ihr Parteikollege Lorenz Hess spricht von «Transparenz-Aktivismus für die Tribüne», der von links und rechts betrieben werde. Es gehe um einen «hochsensiblen Weltmarkt». Die Schweiz müsse für künftige Krisen ein glaubwürdiger Verhandlungspartner bleiben. «Ohne zwingende Gründe nun Details offenzulegen, würde dem Land massiv schaden», so der Berner.
Sicher ist: Durch die Geheimnis-Krämerei von Behörden und Impfstoff-Herstellern dürften weiterhin Gerüchte und gar Verschwörungstheorien kursieren. Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte äusserte sich bisher nicht zur «Veröffentlichung» der eingeschwärzten Verträge.