Impfstoffe: Politik fordert Konsequenzen nach Skandal um Verträge

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Parlamentarier sind verärgert über die offenbar nicht mehr zu ändernden Verträge, die das BAG mit den Impfstoff-Herstellern abgeschlossen hat.

Alain Berset Anne Lévy
Bundesrat Alain Berset (l) und BAG-Direktorin Anne Lévy sehen sich aktuell mit grosser Kritik konfrontiert. Grund dafür sind Fehler bei der Beschaffung von Corona-Impfstoffen. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Das BAG hat in Impfstoff-Verträgen offenbar den parlamentarischen Vorbehalt vergessen.
  • Eine Untersuchung soll den genauen Sachverhalt klären.
  • Weil das Parlament so gar keine Änderung bestimmen könnte, sind die Räte verärgert.

Das BAG hat bei den neuen Verträgen mit Impfstoff-Herstellern gepfuscht – oder, wie die nationalrätliche Finanzkommission diplomatisch meinte: «ungünstig formuliert». Das Parlament kann bei den Hunderten von Millionen Franken wohl gar nicht viel dazu sagen. Denn in mindestens einem Vertrag fehlt der sogenannte parlamentarische Vorbehalt. Am geplanten Kauf von 33 Millionen Impfdosen könnte so gar nicht gross geschraubt werden.

«Unentschuldbar», «unfähig» und «nicht akzeptabel»

Offenbar ist man in Alain Bersets EDI und seinem untergeordneten BAG ziemlich konsterniert. Bei den Mitgliedern der Finanzkommission sorgt der Sachverhalt für Entrüstung. FDP-Nationalrat und Unternehmer Peter Schilliger staunt, schliesslich seien nicht zum ersten Mal solche Verträge abgeschlossen worden. Sollten sich die Informationen bewahrheiten, sei dies eine klare Kompetenz-Missachtung.

Coronavirus Impfung Moderna Pfizer
Die Schweiz fokussiert sich bei der Impfkampagne gegen das Coronavirus auf Impfstoffe von Pfizer und Moderna. (Archivbild) - Keystone

Was genau der Knorz mit den Impfstoff-Verträgen ist, soll eine Administrativuntersuchung über Pfingsten klären. Deshalb mahnt auch Kommissionspräsident Roland Fischer (GLP): «Es besteht noch keine Klarheit über den Vorfall.» Den parlamentarischen Vorbehalt einfach zu vergessen, bezeichnet aber auch er als «nicht akzeptabel» und eine schwerwiegende Unterlassung.

Zurückhaltend ist auch SP-Nationalrätin Sarah Wyss: Ohne Vorbehalt gehe es grundsätzlich nicht, aber derzeit sei die Faktenlage sehr dünn. Kein Pardon kennt man hingegen bei der SVP. Nationalrätin Sandra Sollberger sieht sich bestätigt in ihrer Meinung über die Kader der Bundesverwaltung. «Entweder nicht kompetent und unfähig in Verhandlungsführung oder sie setzen sich über staatspolitische und demokratische Grundsätze hinweg.»

Sollberger Schilliger Guggisberg
Die Nationalräte Sandra Sollberger (SVP), Peter Schilliger (FDP) und Lars Guggisberg (SVP) sind alle Mitglieder der Finanzkommission. - Keystone

SVP-Kollege Lars Guggisberg haut auf den Tisch: «Das muss endlich aufhören!» Seit zwei Jahren würden wegen Corona teilweise blind Millionen an Steuergeldern verschleudert. Dass man zunächst die Untersuchung abwarte, sei zwar richtig. Aber: «Sollte sich das Vorgehen des BAG bestätigen, wäre dies mit einer massiven, unentschuldbaren Verletzung der Budgethoheit gleichzusetzen.»

Konsequenzen bis hinauf zu Bundesrat Berset

Das gleiche parteipolitische Bild zeigt sich bei der Frage nach den Konsequenzen, sollte sich das Malheur bestätigen. SVPlerin Sollberger fordert, die verantwortlichen Personen sollten die Mehrausgaben intern kompensieren müssen.

«Ich nehme da Bundesrat Berset nicht aus», betont Sollberger und zählt Bereiche auf, wo ihrer Ansicht nach Sparpotenzial vorhanden wäre. Prestigeprojekte, nicht-dringende Sachen, persönliche Berater und Mitarbeiter. «Oder auch bei den Horden von Juristen in den Rechtsabteilungen, die offenbar hier nichts gemerkt oder gemacht haben.»

Auch FDPler Peter Schilliger vertritt die Ansicht, die interne Haftung müssten diejenigen Personen tragen, die die Verträge unterzeichneten. «Die Führung, sprich der zuständige Bundesrat, muss die Abläufe nachverfolgen und als Führungsverantwortlicher die Konsequenzen überlegen und entscheiden.»

Notfalls einen Hersteller bevorzugen?

SP und GLP wollen dagegen erst über Konsequenzen nachdenken, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen. Könnte aber gegebenenfalls halt den Verträgen ohne Vorbehalt entsprochen werden und bei den anderen Herstellern dafür umso massiver gekürzt werden? Dazu wollte heute Bundesrat Alain Berset keine Stellung nehmen. Auch die Parlamentarier bleiben diesbezüglich eher vage.

Roland Fischer Finanzkommission
Der Präsident der Finanzkommission, Nationalrat Roland Fischer (GLP). - Keystone

SP-Nationalrätin Sarah Wyss betont: «Für mich gibt es aber keinen Grund, von der zweispurigen Impfstrategie abzuweichen.» Will heissen: Moderna und Pfizer sollten für die Impfwilligen gleichermassen zur Verfügung stehen. In der Sache ist sich auch FDP-Nationalrat Schilliger mit dem Bundesrat einig. Persönlich unterstütze er die Grundhaltung des Bundesrates, die Bevölkerung mit Impfungen gegen die nächste Corona-Welle schützen zu wollen.

Dem hält SVP-Nationalrätin Sollberger entgegen, man müsse nicht schon wieder Impfstoffe auf Vorrat kaufen: «Es mussten jetzt schon zu viele wieder vernichtet werden.» Es sei Zeit, den Krisenmodus zu verlassen – doch die nächste Krise bahnt sich schon an. Sobald die Vertrags-Fakten geklärt sind, müssen sich nämlich National- und Ständerat noch einigen: Ob und um wie viel das Impfstoff-Budget gekürzt wird.

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