Reform der 2. Säule: Neues Kompensationsmodell liegt auf dem Tisch
Das Wichtigste in Kürze
- Demnach soll die Senkung des Mindestumwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent und die damit verbundene Rentenkürzung für 15 Jahrgänge kompensiert werden, wie die Parlamentsdienste am Freitag mitteilten.
Die erhöhte BVG-Altersrente kommt jedoch nur dann zum Tragen, wenn sie die reglementarische Altersleistung einer Person übersteigt.
Einen Zuschuss in Höhe von 2400 Franken pro Jahr soll es für die ersten fünf Jahrgänge nach Inkrafttreten der Reform geben; 1800 Franken pro Jahr für die nächsten fünf Jahrgänge; 1200 Franken pro Jahr für die letzten fünf Jahrgänge der Übergangsgeneration.
Finanziert werden soll die Kompensationsmassnahme laut der Kommission durch Beiträge auf dem koordinierten Lohn. Die Vorsorgeeinrichtungen können die notwendigen Beiträge auch aus nicht mehr benötigten Rückstellungen finanzieren. Gemäss ersten Schätzungen sollen die Kompensationsmassnahmen rund 800 Millionen Franken pro Jahr kosten - rund 900 Millionen Franken weniger als der Vorschlag des Bundesrats und der Sozialpartner.
Der Entscheid zugunsten dieses alternativen Kompensationsmodells fiel mit 14 zu 10 Stimmen. Damit solle die Rente von Versicherten im und nahe beim BVG-Obligatorium gezielt verbessert werden, schreibt die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N).
Der im Sommer 2019 präsentierte Sozialpartner-Kompromiss sei dagegen «nicht zielführend, da er nach dem Giesskannenprinzip funktioniere und zu fest in die Selbständigkeit der Vorsorgeeinrichtungen eingreife».
Auch das neue Modell ist aber umstritten. Eine starke Kommissionsminderheit erachtet es als nicht mehrheitsfähig, da die unter 50-Jährigen und Versicherte mit hohen Einkommen einen finanziellen Beitrag an die Kompensation leisten müssten, ohne selber etwas zu erhalten.
Dieser Meinung ist beispielsweise die SP. In einer Stellungnahme schrieb sie: «Die rechte Mehrheit der SGK-N schert sich offensichtlich nicht um das Gleichgewicht, das die Sozialpartner gefunden haben.» Damit verliere die Vorlage eine Chance auf Erfolg. Die Sozialpartner teilten gemeinsam mit: Der Reform drohe «ein jämmerliches Scheitern».
Neben dem Kompensationsmodell nahm die Kommission weitere Änderungen vor. Sie entschied sich beispielsweise für eine Senkung der Eintrittsschwelle, um Arbeitnehmende mit Teilzeitstellen und tieferen Einkommen in der beruflichen Vorsorge zu versichern. Neu sollen Arbeitnehmende mit einem Jahreslohn von mehr als 12'548 Franken bei einem Arbeitgeber obligatorisch versichert sein.
Weiter sprach sich die SGK-N dafür aus, künftig bereits mit 20 statt 25 Jahren mit dem Sparen fürs Alters zu beginnen. Der Koordinationsabzug soll halbiert, und die Pensionskassenbeiträge sollen somit auf einen grösseren Teil des Lohns erhoben werden, nämlich auf den Teil zwischen 12'548 und 86'040 Franken.
Die Altersgutschriften sollen für 20- bis 44-jährige Angestellte 9 Prozent des koordinierten Lohns betragen, für über 45-Jährige 14 Prozent. Schliesslich will die Kommission die Möglichkeiten der freiwilligen Vorsorge erweitern. Die Beiträge an die dritte Säule sollen erhöht werden; auch Personen in häufig wechselnden und befristeten Arbeitsverhältnissen sollen eine berufliche Vorsorge aufbauen können.
Neun Monate nach der Verabschiedung der Vorlage durch den Bundesrat ist die Nationalratskommission mit ihren Beratungen noch nicht zu Ende. Sie ringe um eine ausgereifte, mehrheitsfähige und tragfähige Lösung in dieser komplexen Vorlage, schrieb sie selbst.
Bevor die Vorlage an den Nationalrat verabschiedet wird, will die SGK-N die finanziellen Folgen ihrer Beschlüsse kennen. Deshalb gab sie zusätzliche Berechnungen in Auftrag. Danach nehme sie sich die Freiheit, noch Anpassungen vorzunehmen. Die Vorlage wird frühestens in der Wintersession behandelt.