Ruag: Finanzkontrolle deckt Ungereimtheiten bei Panzer-Deals auf
Ein Prüfbericht zeigt Ungereimtheiten und Mängel rund um den Panzerdeal von Ruag mit Italien. Der Verwaltungspräsident zieht die Konsequenzen und tritt zurück.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Finanzkontrolle hat Ungereimtheiten bei Panzer-Deals der Ruag aufgedeckt.
- Es soll bizarre Vertragszusätze & verdächtig schlechte Deals für die Firma gegeben haben.
- Die Folge: Verwaltungsratspräsident Nicolas Perrin nimmt den Hut.
Bereits einige Stunden zuvor war die Nachricht über den Rücktritt von Ruag-Verwaltungspräsident Nicolas Perrin durchgesickert. Die Begründung folgte jedoch erst am späten Dienstagabend: Der 65-Jährige zieht die Konsequenzen aus einem Prüfbericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) zu den umstrittenen Ruag-Geschäften mit alten Leopard-1-Panzern, der zum selben Zeitpunkt veröffentlicht wurde.
Perrin wird von SRF mit folgenden Worten zitiert: «Aus dem Bericht gehen keine zwingenden Gründe für einen Rücktritt hervor.» Er betont, dass die Geschäfte mit den Panzern aber eine Tragweite erreicht hätten, die zur Belastung für die Ruag werde.
Nach einem Gespräch mit Bundespräsidentin Viola Amherd sei er deshalb zum Schluss gekommen, das es im Interesse des Unternehmens sei, «dass eine neue Persönlichkeit die Ruag weiterentwickeln» könne.
In einer Mitteilung des Verteidigungsdepartements (VBS) heisst es am späten Dienstagabend: «Herr Perrin stellt sich für einen geregelten Übergang als Verwaltungsratspräsident zur Verfügung, bis die Nachfolge im Amt ist.»
Ganze Kette von Ungereimtheiten bei Panzer-Kauf
Der Bericht der Finanzkontrolle dokumentiert eine ganze Kette von Ungereimtheiten, die nun zum Knall führten. Das Drama begann demnach im Jahr 2016: Die italienische Armee wollte 100 Panzer vom Typ Leopard 1 loswerden. Die Schweizer Ruag war interessiert und kaufte sie für 4,5 Millionen (45'000 Franken pro Stück) – inklusive eines riesigen Ersatzteillagers.
Anders als vorgeschrieben wurde der Kauf der damaligen Konzernleitung nicht vorgelegt. Die Finanzkontrolle listet Mängel in der Buchführung auf und kritisiert «nicht nachvollziehbare» Kostensteigerungen bei der Lagerung der Panzer in Italien.
Kommt hinzu: Eigentlich sei geplant gewesen, die Panzer mitsamt Ersatzmaterial erst zu kaufen, wenn dafür ein fixer Abnehmer bereit steht. Warum die Ruag davon abgekommen ist, sei aus den verfügbaren Unterlagen nicht erkennbar, rüffelt die EFK.
Die Aufarbeitung habe gezeigt, das es bei internen Regelungen und Vorgaben zu Unstimmigkeiten gekommen sei, bilanziert Pascal Stirnimann, der Direktor der Finanzkontrolle.
Rolle von Perrin wird im EFK-Bericht beleuchtet
Ungereimtheiten soll es auch in der Geschäftsbeziehung mit der deutschen Firma GLS gegeben haben. Diese war an bestimmten Umsätzen beteiligt, as die EFK als unnötig taxiert. Später verwickelte sich die Ruag in einen Rechtsstreit mit der GLS: Diese hatte der Ruag 25 «Leos» abgekauft, nicht abgeholt, aber später doch für sich beansprucht. Laut der Finanzkontrolle bleibt ungeklärt, wer im Recht ist.
Weiter wird im Prüfbericht auch die Rolle des jetzt zurückgetretenen Verwaltungspräsidenten der Ruag beleuchtet. Perrin liess entgegen einer internen Ankündigung über ein Jahr verstreichen, bis er das Verteidigungsdepartement VBS über die Panzer informierte.
Perrin gegenüber «SRF»: Sicher würde ich heute sagen, dass wir da schneller hätten informieren müssen«. Perrin ist seit weniger als vier Jahren im Amt und bezeichnet die Leo-Panzer als Altlast aus der Zeit vor seiner Amtszeit. In den letzten Jahren sei viel aufgeräumt worden. «Dabei passierten auch Fehler.»
Kritik auch am VBS
Auch gegenüber dem Verteidigungsdepartement äussert die Finanzkontrolle in ihrem Bericht einige Kritikpunkte. Das VBS vertritt den Bund als Eigner gegenüber der Ruag. Die Leute von Verteidigungsministerin Amherd stellen sich auf den Standpunkt, sie hätten erst seit rund einem Jahr bewusst Kenntnis von den Panzern. Die EFK hat aber dokumentiert, dass das VBS mehr als ein Jahr früher informiert war.
Anfang letzten Jahres wollte die Ruag die Leopard 1 nach Deutschland verkaufen – mit dem Endziel Ukraine. Das VBS liess das Exportgesuch laufen, am Ende verweigerte aber der Bundesrat die Bewilligung. Die EFK zeigt sich «überrascht», dass die politisch sensiblen Verkaufspläne erst nach diesem Bundesratsentscheid in den offiziellen Eignergesprächen zwischen Ruag und VBS thematisiert wurden.
Ruag gesteht Mängel ein
Ruag gesteht von der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) in dem Bericht vom Dienstag gerügte Mängel ein. Der Kauf der italienischen Panzer sei durch die alte Holding erfolgt. Aufgrund eigener Abklärungen leitete der Verwaltungsrat eine interne Untersuchung durch eine Anwaltskanzlei ein, wie Ruag MRO in einer Stellungnahme an die EFK festhielt.
Das Geschäft mit den in Italien gekauften und eingelagerten Occasions-Panzern Leopard 1 habe die Ruag Holding zwischen 2015 und 2020 vor der Entflechtung von Rüstungs- (Ruag MRO) und Technologiesparte (Ruag international) verantwortet.
2020 und 2021 seien von der Entflechtung und ihren Prioritäten geprägt gewesen. Ruag MRO musste demnach neue Führungsstrukturen aufbauen. Das habe auch das Risikomanagement und das Gouvernance-System erfasst, die keine Systemmängel erkennen liessen.
Zum Verkauf von 96 Panzern an den Hersteller Rheinmetall hält Ruag MRO fest, das Unternehmen habe den Prozess beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) korrekt durchlaufen. Das attestiert ihm auch die EFK.
VBS erwartet «umgehend» Verbesserungen
Das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) hielt seitens des Eigners fest, es erwarte eine Bereinigung der Mängel. Es will das Zusammenwirken von Geschäftsleitung, Verwaltungsrat und Bundesstellen eingehender überprüfen.
Das VBS begrüsse darum die angekündigte zweite Untersuchung der EFK über Führung und Steuerung der Ruag MRO sowie die gemeinsame Untersuchung der Anwaltskanzlei und der EFK. Das VBS leitete eine externe Untersuchung ein.