Rückzug der Heiratsstrafe-Initiative überzeugt Politik nicht
Die CVP will ihre Initiative zur «Heiratsstrafe» zurückziehen – und dafür eine neue lancieren. Das sorgt bei Parlamentariern anderer Parteien für Fragezeichen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die CVP will zur Abschaffung der Heiratsstrafe eine neue Initiative lancieren.
- Im Parlament ist das Echo positiv, aber auch skeptisch.
Politisches Manöver von CVP-Präsident Gerhard Pfister: Die umstrittene Initiative zur Abschaffung der sogenannten Heiratsstrafe soll zurückgezogen werden. Die Abstimmung über die Initiative, welche verhindern will, dass Ehepaare wegen der gemeinsamen Besteuerung überproportional viel bezahlen, muss wiederholt werden.
In den Abstimmungsunterlagen wurden falsche Zahlen verwendet. Pfister will anstelle der ursprünglichen eine neue Initiative lancieren – ohne die problematische Definition der Ehe als zwischen Mann und Frau.
Echo im Parlament positiv
Dass das CVP-Präsidium dem Initiativkomitee vorschlägt, das Volksbegehren zurückzuziehen kommt bei den anderen Parteien gut an. «Ich freue mich, dass die CVP eingesehen hat, dass ihre Initiative zwar gut gemeint ist, aber letztlich nichts bringt. Ein Rückzug ist vernünftig», sagt etwa Daniela Schneeberger, FDP-Nationalrätin aus dem Kanton Baselland.
Für SP-Nationalrätin Barbara Gysi ist der Rückzug ebenfalls nachvollziehbar. «Allerdings dürfte es nicht ganz einfach sein, die eigene Basis mit einer erneuten Initiative zu mobilisieren.» Gysi glaubt, dass Pfister wohl bewusst sei, dass die Initiative wegen der «rückständigen Ehedefinition» beim Volk erneut chancenlos wäre.
Dem pflichtet auch Parteikollegin Min Li Marti bei. «Der CVP war es schon länger merklich unwohl mit der Ehe-Definition als Verbindung zwischen Mann und Frau, weil sie mit einer Ehe für alle nicht kompatibel ist. Mit dem Rückzug und einer neuen Initiative steht der Ehe für alle nun nichts mehr im Weg!», so die Sozialdemoratin.
Marti ist allerdings gegen die Abschaffung der sogenannten Heiratsstrafe. Sie stört sich am Begriff «Strafe», der Nach- aber auch Vorteile habe – gleich wie Grünen-Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber. «Mit der Heirat gibt es auch einige Privilegien wie etwa die Witwen-Renten. Diese müssen auf jeden Fall beibehalten werden.» Die Zürcherin kann sich daher auch eine Ausweitung auf Konkubinatspaare vorstellen.
Wie ernst ist es der CVP?
Prelicz-Huber sieht jedoch die Individualbesteuerung als Königsweg. Auch Schneeberger, Marti und Gysi gehen in diese Richtung. Letztere erklärt: «Wir brauchen eine zivilstandsunabhängige Besteuerung, die die Unterhaltspflichten berücksichtigt: also die Individualbesteuerung.» Dem stimmt Daniela Schneeberger zu und betont, dass eine neue Regelung auf keinen Fall neuen Ungleichbehandlungen schaffen darf.
Vermutet wird, dass die CVP aus der Not eine Tugend macht. Die SP-Nationalrätinnen Gysi und Marti glauben, dass für die CVP eine erneute Volksinitiative die Option der Wahl sei, weil im Parlament die Mehrheiten gegen ihr Projekt stünden.
Und Prelicz-Huber erklärt, dass die bisherigen Versuche im Parlament jeweils an den Details scheiterten. «Wenn die CVP die Frage der Besteuerung von Ehepaaren wirklich lösen wollte, könnte sie das auch mit einem mehrheitsfähigen Vorstoss im Parlament tun. Eine Volksinitiative erweckt bei mir eher den Eindruck, dass man sich öffentlichkeitswirksam inszenieren möchte.»