Schweizer Nachtleben fühlt sich vom Bund vernachlässigt
Der Bundesrat will im Sommer Grossevents wie Festivals oder Fussballspiele zulassen. Clubbesitzende hingegen klagen, immer noch keine Perspektive zu haben.
Das Wichtigste in Kürze
- Bald könnten in der Schweiz wieder Grossevents mit Tausenden von Besuchenden stattfinden.
- Doch für die Schweizer Bar und Club Kommission gibt es noch zu viele Hürden.
- Die Nachtleben-Branche klagt über zu hohe Anforderungen und Planungsunsicherheit.
Der Bundesrat will wieder Perspektive schaffen und Grossveranstaltungen – unter Auflagen – bewilligen. Zuerst sollen Pilotprojekte mit 300 bis 600 Besuchende im Juni durchgeführt werden. Dort soll getestet werden, wie die Schutzkonzepte funktionieren und eingehalten werden. Dann aber könnten Konzerte, Fussballspiele oder «Chilbis» stattfinden.
Das Nachtleben hingegen schwebt in Ungewissheit. Die Schweizer Bar und Club Kommission (SBCK) klagt in einer Medienmitteilung über Perspektivlosigkeit und die hohen Anforderungen an die Branche. Es scheint nämlich so, als müssten sich Clubs und Bars mit wenig Platz noch an die 50 beziehungsweise 100-Personenobergrenze halten.
Schweiz bei Grossevents «zu konservativ»
Doch selbst wenn kleinere Lokale an den Pilotprojekten teilnehmen könnten, wäre das Problem nicht gelöst. Denn diese seien «nicht sehr mutig», sagt Max Reichen, Co-Präsident der Berner Bar und Club Kommission (Buck) auf Anfrage. «Versuche in Spanien, den Niederlanden und England gingen deutlich weiter.» Die Buck ist ebenfalls Mitglied der SBCK, Reichen sitzt im Vorstand.
«Die Bedingungen für Pilotprojekte funktionieren in der Praxis nur sehr schwer», so Reichen. Denn bei Grossevents verlassen sich die Behörden auf das GGG-Prinzip (Geimpft, Genesen, Getestet). Dieses Prinzip einhalten zu müssen, zusammen mit den strengen Schutzmassnahmen, ist für die SBCK «unverständlich».
«Wie sollen zum Beispiel am Eingang Schnelltests durchgeführt werden? Was würde bei einem positiven Test passieren? Diese Herausforderung ist kaum zu bewältigen», erklärt Reichen.
Zwar könnte GGG zum Beispiel mit dem Covid-Zertifikat umgesetzt werden. Weil das aber noch bis Ende Juni andauern könnte, ist auch das nicht garantiert.
Dass Veranstalter die Verantwortung für das Einhalten der Regeln, sei zwar richtig, räumt er ein. «An der Clubtüre können wir nicht Jahrzehnte verpasster Bildung in fünf Minuten nachholen. Da ist auch der Staat und die Zivilgesellschaft gefragt, nur zusammen gehts», erklärt er. Der Bund mache es sich bei der Organisation von Grossveranstaltungen einfach.
Hürden für Testen und Impfen tiefer setzen
Allgemein findet der Buck-Geschäftsführer das Konzept GGG im Moment nicht funktionstüchtig: «Für eine echte Rückkehr zur Normalität muss der Staat die Hürden zur Impfung und Testung viel niederschwelliger setzen.» Heisst, mehr Impfdosen und Termine, Testzentren mit mehr Kapazität sowie längeren Öffnungszeiten.
Auch der von Parlament und Bundesrat vorgesehene Schutzschirm kritisiert der Berner: «Der Schutzschirm ist zwar schön, aber das Ganze ist im schlimmsten Fall witzlos.» Schon vergangenen Herbst hätten die Kantone eher zurückhaltend Bewilligungen erteilt.
Wenn sie jetzt noch bei eventuellen Absagen bezahlen müssten, so Reichen, würde das die Situation nicht verbessern. «Dann haben Veranstalter auch keine Planungssicherheit», sagt er. «Schutzschirm hin oder her.»