Von wegen Defizit – Kantone machen Milliardengewinne

Kaspar Schwarzenbach
Kaspar Schwarzenbach

Bern,

Fast alle Kantone haben die Steuereinnahmen für das Jahr 2022 massiv unterschätzt: Insgesamt erzielen sie Gewinne in Höhe von mehr als drei Milliarden Franken.

Kantone
Kantonsflaggen hängen am Bundeshaus in Bern. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Jahresabschlüsse fast aller Kantone fallen sehr viel positiver aus, als budgetiert.
  • Insgesamt verbuchen sie ein Plus von drei Milliarden, statt dem budgetierten Verlust.
  • Insbesondere die Kantone Genf, Zürich, Bern und Basel-Stadt haben sich kräftig verschätzt.

Erfreuliche Nachrichten aus den Kantonen! Die Jahresabschlüsse 2022 fallen überraschend positiv aus: So hat sich alleine der Kanton Genf bei den letztjährigen Steuereinnahmen um ganze 1,7 Milliarden verschätzt, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet.

Diese unerwartet massiven Mehreinnahmen bescheren dem Kanton nun einen tiefschwarzen Jahresabschluss: Anstelle des budgetierten Defizits von 93 Millionen Franken resultiert demnach ein Plus von 727 Millionen. Nicht enthalten sind weitere 606 Millionen, die per Regierungsbeschluss direkt in die Kapitalisierung der kantonalen Pensionskasse fliessen.

Kantone Kuppelhalle Bundeshaus
Blick von unten in die Kuppel mit dem Schweizerkreuz und den Fahnen der Kantone in der Kuppelhalle des Bundeshauses. (Symbolbild) - keystone

Das Genfer Beispiel passe gemäss «Tages-Anzeiger» perfekt ins Gesamtbild. Die Jahresabschlüsse der Kantone sind nämlich durchgehend besser, als die Budgetierungen hätten vermuten lassen. In den Voranschlägen für das Jahr 2022 rechnete noch mehr als die Hälfte der Kantone mit roten Zahlen: Eine pessimistische Prognose, die sich in keinem einzigen Fall erfüllt hatte.

Um gut vier Milliarden verschätzt

So hatte auch der Kanton Zürich für das vergangene Jahr mit einem Defizit von 523 Millionen Franken gerechnet. Stattdessen resultierte zum Jahresabschluss ein Gewinn von 543 Milliarden. Auch die Kantone Bern und Basel-Stadt haben sich demnach gewaltig verrechnet, um 446 respektive 231 Millionen Franken. Im Endergebnis haben die Kantone um gesamthaft mehr als drei Milliarden Franken zugelegt – statt wie vorhergesagt eine Milliarde verloren.

Ernst Stocker
Ernst Stocker, Regierungspräsident und Vorsteher der Finanzdirektion des Kantons Zürich, spricht während einer Medienkonferenz zur OECD Mindestbesteuerung, am Montag, 24. April 2023 in Bern. - keystone

Der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP) erklärt diese Differenz gegenüber dem «Tages-Anzeiger» folgendermassen: «Die Budgets der Kantone für das Jahr 2022 wurden im Jahr 2021 erstellt, mitten in der Pandemie.» Wirtschaft und Arbeitsmarkt hätten sich aber besser entwickelt, als man zum Zeitpunkt der Budgetierung erwartet hatte, so Stocker. Deshalb seien die Steuereinnahmen vielerorts sehr viel höher ausgefallen. Schliesslich hätten auch die Gewinnausschüttungen der Nationalbank zu den positiven Ergebnissen beigetragen.

Absichtlich zu wenig budgetiert?

Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» zweifelt Reto Wyss vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) allerdings an dieser Begründung: Sie würde die massiven Unterschiede nur bedingt erklären. Er wirft den Kantonen vor, aus politischem Kalkül heraus übertrieben pessimistisch zu budgetieren.

Auf diese Weise würden sich zahlreiche Kantonsregierungen gegen «Begehrlichkeiten» von linker Seite wehren. «Andererseits klagen Kantone generell gerne über eine angeblich stetig wachsende Aufgabenlast. Dabei verstehen sie es meisterhaft, Aufgaben abzuschieben, für die sie eigentlich zuständig wären – insbesondere an den Bund.»

Glauben Sie, dass die Kantone absichtlich zu pessimistische Budgets erstellen?

Überdies seien die Überschüsse keineswegs nur als gute Neuigkeiten zu verstehen: Für Wyss seien sie auch Ausdruck zahlreicher unsinniger Sparmassnahmen der letzten Jahre. Entsprechend sei für den Gewerkschafter auch klar, dass diese Überschüsse nun in Investitionen zugunsten der Familien fliessen sollten: In Prämienverbilligungen und in die Bildung, aber auch in eine bessere Qualität der Pflege. Gemäss Wyss ist davon auszugehen, dass gewerkschaftsnahe Kreise in den Kantonen entsprechende politische Offensiven lancieren werden.

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