Regula Rytz fordert neue Regeln für den Bundesrat
Das Parlament klammert sich an den Status Quo und lässt die Grünen abblitzen. Für Regula Rytz hat es System: Die Parteien wechseln ihre Bundesräte rechtzeitig.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Bundesversammlung wählte heute den Bundesrat neu und beliess alles beim Alten.
- Regula Rytz läuft auf und kann Ignazio Cassis nicht aus der Regierung verdrängen.
- Die Grünen-Chefin kritisiert das aktuelle System und fordert neue Regeln.
Regula Rytz war die Enttäuschung anzusehen. Die grünen Träume von einem Bundesratzssitz zerplatzten am Mittwochmorgen, 10:13 Uhr. «Gewählt ist mit 145 Stimmen: Herr Bundesrat Ignazio Cassis», verkündete Nationalratspräsidentin Isabelle Moret.
Schon bald fand die Geschlagene zurück zu ihrer angriffigen Rhetorik. «Es haben uns viele Leute gesagt, dass wir mehrmals immer wieder kommen müssen mit unserem Antrag – jetzt haben wir einen Fuss in der Türe und wir werden dran bleiben!»
Die Diskussionen hätten gezeigt, wie heute der Bundesrat erneuert werde, erklärte Rytz weiter. «Das sind Erneuerungswahlen, die bereits vor den Parlamentswahlen stattfinden. Das heisst die Parteien tauschen ihre Bundesräte aus, bevor die Bevölkerung eine neue Zusammensetzung des Parlaments beschliessen kann.»
Dies habe zum Hauptproblem für die Grünen geführt: Es hatte keinen freien Sitz im Bundesrat. Deshalb habe man einen Sitz und eine Partei attackieren müssen. Doch die Bundesratsparteien hätten ihre Macht verteidigt.
«Wenn man das ändern möchte, müsste man eine Regel haben, dass Bundesräte etwa eine Amtszeitbeschränkung haben und dass sie nicht während der Legislatur zurücktreten.» Am heutigen Wahltag wollte sich Rytz indes nicht äussern, ob sie bei einer künftigen Möglichkeit ein weiteres Mal als Bundesratskandidatin antreten wolle.
Das Protokoll des Wahlmorgens
Der Mittwochmorgen verlief weniger überraschend, als sich einige – vor allem linke und grüne Kräfte – wohl erhofft hatten. Sämtliche bisherigen Bundesräte wurden wiedergewählt. Ueli Maurer, Alain Berset und Viola Amherd erzielten historische Rekordergebnisse. Amherd holte mit 218 Stimmen gar so viele Stimmen wie noch nie ein Bundesrat.
Für die Grünen verlief der Morgen besonders ernüchternd. Mit 82 Stimmen erzielte Kampf-Kandidatin Regula Rytz gar eine Stimme weniger als das SP- und Grünen-Lager eigentlich gross wäre. Von der GLP erhielt sie offenbar gar keine Stimme, obwohl Fraktionschefin Moser Tags zuvor noch erklärte, die Stimmen der Grünliberalen würden sich aufteilen.
11.48: Die Grünen hätten sich falsch positioniert, findet Marco Romano, Tessiner Nationalrat CVP. Man greife keinen amtierenden Bundesrat an. Zwar sei der Anspruch der Grünen legitim, aber nicht auf diese Art.
11.24: FDP-Parteipräsidentin Petra Gössi zeigt sich nach den Bundesratswahlen erleichtert. «Das ist ein sehr gutes Resultat, weil der Sitz von Ignazio Cassis wurde von den Grünen, der SP und einem Teil der GLP angegriffen.»
Gössi versucht zu vergleichen und stellt fest, dass Regula Rytz offenbar nicht von all jenen unterstützt wurde, die sich im Vorfeld hinter die grüne Kandidatur hatten stellen wollen. Das Resultat sei ein klares Bekenntnis zur Stabilität.
11.22: Übrigens: Als einzige Bundesrätin hat sich bisher Viola Amherd öffentlich geäussert. Nur wenige Minuten nach ihrer Wahl bedankte sie sich bereits in den sozialen Medien.
Herzlichen Dank für die Unterstützung 🙏😊
— Viola Amherd (@Violapamherd) December 11, 2019
Ich freue mich über die Bestätigungswahl und das ausgezeichnete Wahlergebnis! Herzlichen Dank für das mir entgegengebrachte Vertrauen. Ich werde mich auch in Zukunft mit all meiner Kraft für die Interessen der Schweiz einsetzen.
11.13: Gibt es bald neun Bundesräte? Diese Diskussion läuft seit einigen Wochen. Die FDP schreibt nun in einem Communiqué: «Wir sind offen für eine Diskussion bezüglich der zukünftigen Zusammensetzung der Regierung.»
11.09: Die wiedergewählten Bundesräte werden vereidigt. Ausstehend ist noch die Wahl von Simonetta Sommaruga zur neuen Bundespräsidentin.
11.04: Nun ist auch Bundeskanzler Walter Thurnherr (CVP), der «achte Bundesrat», wiedergewählt. Er schafft es auf 219 Stimmen.
10.48: Zum Schluss der Bundesratswahlen bestätigt die Bundesversammlung auch Karin Keller-Suter (FDP) im Amt. Damit steht die Landesregierung bis 2023 fest. Es ist die gleiche wie bisher. Allerdings erhält die St. Gallerin nur 169 Stimmen. Ein kleiner Denkzettel...
10.30: Wenig überraschend bleibt auch Verteidigungsministerin Viola Amherd Bundesrätin. Sie erreicht sagenhafte 218 Stimmen. Rekordverdächtig. Und: Die Grünen haben offensichtlich trotz dem fehlenden Support für Rytz für die Walliserin gestimmt.
10.21: Ausstehend sind noch die (Wieder-)Wahlen von Viola Amherd (CVP) und Karin Keller-Sutter (FDP). Das wird eine reine Formsache sein. Wir halten Sie aber natürlich trotzdem auf dem Laufenden...
10.12: Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) wird mit 147 Stimmen wiedergewählt. Grünen-Präsidentin Regula Rytz schafft es bloss auf 82 Stimmen. Damit dürfte die Landesregierung die selbe bleiben wie vor den Parlamentswahlen.
09.55: Jetzt folgt der einzige Wahlgang, der ein bisschen spanend werden könnte. Die Grünen attackieren mit ihrer Parteipräsidentin Regula Rytz FDP-Bundesrat Ignazio Cassis. Die Parlamentarier füllen nun ihre Wahlzettel aus.
09.52: Überraschungen sind weiterhin Fehlanzeige. Auch Wirtschaftsminister Guy Parmelin ist für weitere vier Jahre gewählt. Allerdings macht er deutlich weniger Stimmen als seine Kollegen. Er schafft es auf 192 Stimmen.
09.40: Nun geht es um die Zukunft von Wirtschaftsminister Guy Parmelin. Er stand in den letzten Monaten wiederholt in der Kritik. Die Prognose sei gewagt: So viele Stimmen wie Maurer und Berset wird der SVP-Romand kaum machen.
09.38: Dass «sein» Bundesrat Ueli Maurer derart deutlich gewählt wurde, sei «verdienter Lohn für eine super Arbeit von unserem Bundespräsidenten», so SVP-Chef Albert Rösti. «Sonst hätten viel mehr leer eingelegt», ist Rösti überzeugt. Er habe sein Finanzdepartement im Griff, das spüre man. «Er ist der Doyen, aber noch topfit», lobt Rösti den mit 213 Stimmen Wiedergewählten. «Es freut mich auch sehr, weil er sagte, dass er weitermachen wolle – mehrere Legislaturen, hat er sogar mal gesagt.»
Die SVP-Fraktion will keinen amtierenden Bundesrat abwählen und hat deshalb beschlossen, SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga zu wählen. Doch was ist in vier Jahren? «Vier Jahre sind politisch extrem lang, wir schauen dann nochmals», winkt der SVP-Präsident ab. Dass man sich in absehbarer Zeit auf eine neue Formel einigen könne, glaubt er jedoch nicht.
Trotz dem Glanzergebnis von Ueli Maurer: Auf die leichte Schulter nimmt Rösti die absehbare Wiederwahl seiner beiden Bundesräte nicht. Denn erst wenn die Stimmen ausgezählt seien, könne man beruhigt sein.
09.33: Auch Gesundheitsminister Alain Berset bleibt Bundesrat! Er erhält 214 Stimmen. Damit macht er sogar eine Stimme mehr als SVP-Mann Ueli Maurer.
09.15: Selbst SVP-Scharfmacher Roger Köppel stimmte für seine Erzfeindin Sommaruga, erklärt er im SRF-Interview. Es scheint der grosse Tag der Konkordanz zu werden. Und tatsächlich: Sommaruga ist mit 192 Stimme wiedergewählt. Ein solides Resultat.
09.02: Nun entscheidet das Parlament über Simonetta Sommaruga. Die SP-Frau dürfte 2020 auch Bundespräsidentin werden.
08.58: So, die erste Wahl ist geschafft. Maurer landet mit 213 Stimmen ein absolutes Glanzresultat. Offenbar ist der ehemalige SVP-Chef auch bei den Linken mittlerweile wohlgelitten.
08.49: So langsam gilt es ernst im Bundeshaus. Zur Wahl steht der amtierende Bundespräsident Ueli Maurer (SVP). Um ihn rankten sich Rücktrittsgerüchte. Doch nun dürfte seine Wahl eine reine Formsache sein.
08.34: FDP-Fraktionschef Beat Walti erklärt wortreich den Anspruch seiner Partei auf zwei Bundesratssitze. Der Zürcher anerkennt den grünen Wahlerfolg, will Rytz aber definitiv nicht wählen.
08.27: Nun erklärt Grünen-Fraktionschef Balthasar Glättli – unter Berufung auf den griechischen Philosophen Aristoteles – warum Regula Rytz gewählt werde müsse. News-Faktor: Null.
08.20: Das Wort haben aktuell die Fraktionsspitzen. Überraschungen zeichnen sich keine ab. Die Grünliberalen bleiben bei ihrer labilen Haltung. Man sehe Vor- und Nachteile einer Wahl von Regula Rytz, erklärt Fraktionschefin Tiana Moser. Deshalb würden ihre Vertreter mal so, mal so stimmen.
08.05: Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser. Nationalratspräsidentin Isabelle Moret (FDP) hat die Sitzung eröffnet – und das ganz ohne Ermahnung wegen dem Lärmpegel. Zuerst erklären die Fraktionen nochmals, wen sie zu wählen gedenken. Das wichtigste finden Sie hier.
Sieben Bundesräte regieren die Schweiz. Seit 1848 ist das so. Heute könnte das erste Mal ein Vertreter der Grünen in die Landesregierung einziehen. Regula Rytz wird bei der Wahl des fünften Sitzes Bundesrat Ignazio Cassis von der FDP angreifen.
Wiederwahl nach Amtsjahren
Doch der Reihe nach: Um acht Uhr versammelt sich die Vereinigte Bundesversammlung im Nationalratssaal: Die 200 Nationalräte mit den 46 Ständeräten. Die Wahl mittels Zettel findet geheim statt.
Zuerst steht SVP-Finanzminister Ueli Maurer zur Wiederwahl. Der derzeitige Bundespräsident ist auch der Amtsälteste im Gremium. Nach ihm folgen UVEK-Chefin Simonetta Sommaruga und Gesundheitsminister Alain Berset, beide SP. Anschliessend wird SVP-Wirtschaftminister Guy Parmelin wiedergewählt.
Sie alle werden nicht in Frage gestellt und wiedergewählt werden. Doch dann wirds spannend: In der fünften Runde erfolgt der Angriff der Grünen auf den bisherigen Aussenminister Ignazio Cassis.
Angriff auf Cassis mit wenig Erfolgsaussichten
Die Chancen von Rytz sind jedoch verschwindend klein. Neben den 35 Grünen Parlamentariern wollen auch die 48 SP-Vertreter ihren Namen aufschreiben. Für das absolute Mehr von 124 Stimmen fehlen 40 Stimmen.
SVP und FDP werden Rytz nicht unterstützen. Und die GLP legte sich gestern nicht fest. «Die Stimmen werden sich verteilen», sagte Fraktionschefin Tiana Moser. Die GLP hat nur 16 Stimmen. Relevanter wäre eine Unterstützung aus dem CVP-Lager.
Doch Parteipräsident Gerhard Pfister hatte mit seiner Absage die Hoffnungen der Grünen schon vor Wochen praktisch eingestampft. Die Mehrheit der 44 Mitte-Politiker werde Cassis wählen, sagte er. Regula Rytz war nicht einmal zu einem Hearing eingeladen worden.