Wer stopft die Milliarden-Löcher in der Arbeitslosenversicherung?
Das Wichtigste in Kürze
- Der Arbeitslosenversicherung entstehen wegen der Kurzarbeit Milliardenschulden.
- Damit dies nicht Arbeitnehmer und -geber berappen müssen, soll der Staat einspringen.
Es ist das Prunk- und Herzstück der Schweizer Reaktion auf Wirtschaftskrise: Die Kurzarbeit. Arbeitgeber können, wenn die Arbeitsmenge zwischenzeitlich zusammenbricht, ihre Angestellten beim Kanton anmelden. Dieser erhält 80 Prozent des Lohnes für das reduzierte Pensum.
Das Resultat: Statt, dass der Arbeitgeber einen Teil seiner Belegschaft entlässt, beschäftigt er sie weiter. Das hilft, Arbeitsmarkt, Arbeitslosenquote und Konsum stabil zu halten. Was ohne Kurzarbeit passiert, zeigt sich derzeit in den USA.
Erfunden wurde die Kurzarbeitsentschädigung 1910 in Deutschland. Sie wird in der Schweiz aus der Arbeitslosenkasse (ALV) bezahlt. Diese ist als Versicherung konzipiert.
Sprich: Arbeitgeber und -nehmer bezahlen monatlich je 1,1 Prozent des Lohns des Angestellten ein. Ab einem Lohn von 148'200 Franken kommen je 0,5 Prozent dazu.
ALV mit Defiziten bis zu 35 Milliarden Franken
Nun sind die Ausgaben der ALV für Kurzarbeitsentschädigungen in die Höhe geschossen. Knapp zwei Millionen Menschen, jeder dritte Arbeitnehmer, machen von der Versicherung Gebrauch.
Deshalb musste der Bund bereits sechs Milliarden Franken in die Kasse einschiessen. Das genügt aber nicht: Durch die Kurzarbeitsbezüge fallen weitere 15 bis 20 Milliarden an Defiziten bei der ALV an. Gemäss Finanzminister Ueli Maurer sollen bis Ende Jahr insgesamt bis zu 35 Milliarden nötig sein.
Klar ist: Die Coronakrise reisst riesige Löcher in die Kasse der Arbeitslosenversicherung. Zuschüsse aus der Bundeskasse rütteln am üblichen Verständnis der ALV als Versicherung. Bereits in der Debatte um eine Dividendenausschüttungsverbot bei Bezug von Kurzarbeit im Parlament wurde dies angeführt: Wo der Staat eingreift, kann er auch die Regeln bestimmen.
Die Versicherung macht die Spielregeln
Für den Chefökonomen des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Daniel Lampart, ist allerdings klar, dass die ALV eine Sozialversicherung bleibt. «Die Tatsache, dass sich der Bund finanziell beteiligt, ändert nichts daran. Das ist ja auch bei der AHV der Fall.»
Allerdings: Unabhängig davon könne die ALV Vorgaben machen, unter welchen Bedingungen die Leistungen bezogen werden können. Ein Dividendenausschüttungsverbot wäre eine solche Vorgabe, so Lampart.
Eine Versicherung, die ihre Ausgaben nicht decken kann, erhöht normalerweise die Beiträge. Das jedoch wäre in der gegenwärtigen schwierigen wirtschaftlichen Lage Gift, warnt Lampart. «Höhere Beiträge würden die Kaufkraftprobleme verschärfen. Das wäre schlecht für die Schweizer Konjunktur und würde zu zusätzlichen Arbeitslosen führen.»
Für Daniel Lampart ist deshalb klar: «Der Bund muss die Kosten übernehmen. Er ist hervorragend finanziert.»