«Wir sind müde und wütend» – Gastbeitrag von zwei Pflegefachfrauen
Das Wichtigste in Kürze
- Pflegefachleute sind schon lange frustriert, das Coronavirus hat die Situation verschärft.
- Zwei Pflegerinnen erzählen in einem Gastbeitrag von der grossen Müdigkeit des Personals.
- Die zwei Autorinnen betreiben zusammen den Blog «Pflegebasis Nachrichten».
Vorausschickend müssen wir festhalten: Die Pflegenden waren bereits vor der Pandemie müde und erschöpft. Erschöpft von zu vielen Überstunden, von zu anstrengenden Diensten, von zu wenig Personal, zu vielem Einspringen, zu wenig Erholung.
Müde davon, immer wieder zu erklären, dass Pflege mehr ist, als «chli chrankeschwösterle», dass wir Pflegefachfrauen und –männer sind, eine eigene Profession mit viel Verantwortung, dass wir lange lernen und studieren, und nein, dass es dafür nicht reicht, «eine Liebe» zu sein.
Coronavirus – eine historische Zeit
Und dann schlich sich Ende Februar 2020 ein Virus heran, das unser aller Leben auf den Kopf stellen sollte. Jeder Pflegenden war klar, dass dies eine historische Zeit wird. Alle standen bereit. Auch jene, die längst nicht mehr in diesem Beruf arbeiteten. «Wenn es mich braucht, werde ich da sein.»
Die müden und erschöpften Pflegenden an der Basis mobilisierten alle ihre Kräfte. Wir waren überzeugt, dass wir alle erdenkliche Unterstützung erhalten würden und dass wir endlich zeigen können, wie unverzichtbar unser Beruf in der Gesellschaft ist. Und ja, wir hörten auch bange die Berichte unserer Kolleginnen und Kollegen aus Italien.
Der nationale Lockdown kam, Wahleingriffe wurden eingestellt, die Schulen wurden geschlossen. Tausende von Pflegenden landesweit hatten plötzlich Kinder zu Hause, die es zu unterrichten galt. Die Grosseltern, die Kinderbetreuer Nr. 1 in der Schweiz, gehörten zur Risikogruppe. Unterstützung bei der Kinderbetreuung für Eltern in systemrelevanten Berufen blieb aus.
Ein anstrengender Sommer
Aber die Corona-Welle konnte nach Plan tief gehalten werden. Der erwartete Ansturm auf die Spitäler blieb aus. Nach sechs Wochen Lockdown gab es die ersten Lockerungen, die Spitäler nahmen ihren Takt wieder auf. Nur stand nun alles unter dem Vorzeichen «COVID-19».
Wie finden Sie den Gastbeitrag?
Jeder Arbeitsschritt, jeder Ablauf war – und ist – davon betroffen. Jahrelange Routine musste neu gedacht werden. Der Sommer war streng. Keine Erholung für die Pflege. Auch ganz besonders nicht in den Alters- und Pflegeheimen und in der ambulanten Pflege.
Gegen Ende des Sommers hatte ein Grossteil der Schweizer Bevölkerung vergessen, dass es eine Pandemie gab. Fast alles lief wieder normal. Aber das Virus war nie weg, natürlich nicht. Es hatte sich und uns nur eine Pause gegönnt. Spätestens Ende September wussten wir, dass die zweite Welle heranrollt.
Die zweite Welle und «eine kollektive Depression»
Das war der Moment, in dem die Berufsgruppe der Pflege in eine kollektive Depression fiel. Die Pflegenden verstanden, dass sie solch eine Mobilisierung der Kräfte wie im Frühjahr nicht noch einmal stemmen konnten. In diese Erkenntnis hinein schwappte die zweite Welle mit voller Wucht.
Pflegende leben seither in zwei Welten. In der einen ist das Virus in seiner schlimmsten Form allgegenwärtig. Dort verausgaben sie sich. Dort erleben sie, wie der Schweiz das gesamte Gesundheitswesen um die Ohren fliegt.
In der anderen beschweren sich die Leute über die Pflicht, eine Maske zu tragen, über ausgefallene Fussballspiele und rufen bereits wieder nach Lockerungen auf Weihnachten.
Und die Pflegenden, die einsamen Wanderer zwischen den Welten, sind müde und gleichzeitig so wütend darüber, dass sie weiterhin von der Politik alleine gelassen werden und ihnen trotz ihrer Leistung, die sie gerade erbringen jegliche Anerkennung verwehrt bleibt.
Mehr von Christina Schumacher und Madame Malevizia gibt es im Blog auf pflegebasisnachrichten.blogspot.com.