Zertifikats-Chaos: Bund schiebt Apotheken Schwarzen Peter zu
Stau vor dem Club-Eingang: Party-Gänger ohne Covid-Zertifikat, die Apotheken vertrösten. Der Bund spielt den Ball zurück: Das System sei längst implementiert.
Das Wichtigste in Kürze
- Negativer Test, kein Zertifikat: Party-Gänger wurden am Samstag nicht die Clubs gelassen.
- Clubbetreiber fordern Fortschritte beim Bund, Apotheken warten auf Abklärungen.
- Der Bund betont aber, die Software laufe längst und Apotheken seien geschult worden.
Das erste Party-Wochenende seit Monaten fand für viele nur in der Theorie statt. Zwar hat der Bundesrat mit einem grossen Öffnungsschritt Veranstaltungen wieder ermöglicht. Clubs und Discos, gemäss bundesdeutsch «Tanzveranstaltungen», können ohne Kapazitätsbeschränkung öffnen. Allerdings nur, wenn ausschliesslich Personen mit Covid-Zertifikat eingelassen werden.
Was aus Sicht des Bundes ebenfalls kein unüberwindbares Hindernis darstellt, denn das Covid-Zertifikat hat er bereits Anfang Juni vorgestellt. Nur: Dutzende Party-Gänger strandeten letzten Samstag trotzdem vor den Club-Eingängen. Sie hatten zwar einen Antigen-Schnelltest gemacht. Doch die Apotheken konnten ihnen kein Zertifikat ausstellen, dass der Nachweis auf Coronavirus negativ war.
Apotheken warten wohl vergeblich auf Bundesamt
Club-Besucher und Club-Betreiber sind verärgert: Es sei wohl eher an den Behörden als an den Apotheken selbst, hier vorwärtszumachen. Alex Flach vom Zürcher «Hive» fordert umgehend eine Lösung, damit sich kommenden Samstag nicht wieder Frust vor dem Club-Eingang aufstaut. «Für nächstes Wochenende müssen die Apotheken das Zertifikat ausstellen können», fordert er.
Die Apotheken dämpfen derweil die Erwartungen: Es handle sich um einen rollenden Prozess, der noch einen Moment dauern könne. Der Branchenverband Pharmasuisse verweist auf das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT), welches beim Covid-Zertifikat federführend ist. Damit Apotheken das Covid-Zertifikat für negativ getestete Personen ausstellen können, brauche es noch Abklärungen. «Das BIT ist in Kontakt mit den Kantonen, damit Ärzte und Apotheker die Berechtigung erhalten für das Ausstellen von Zertifikaten.»
Bund: System ist seit Wochen bereit
Da scheint man allerdings etwas aneinander vorbeizureden, denn auf Nachfrage tönt dies beim BIT doch sehr anders. «Die Schnittstelle zu allen Systemen, auch jenen der Apotheken, steht seit wenigen Wochen zur Verfügung», sagt Mediensprecherin Sonja Uhlmann. Nicht nur das, die Schnittstelle sei auch bereits von den Software-Anbietern in die Apotheken-Systeme implementiert worden.
Haben Sie Ihr Covid-Zertifikat als PDF auf Ihr Smartphone zugestellt erhalten? Neu können Sie das PDF auch direkt in die «COVID Certificate»-App importieren, ohne den QR-Code scannen zu müssen.#CovidCertificateCH #Zusammenarbeit pic.twitter.com/eEE3VZlkBe
— BIT - OFIT - FOITT (@BIT_OFIT) June 29, 2021
Den Kontakt mit den Kantonen gab es offenbar durchaus. Aber nur um dem BIT mitzuteilen, welche Personen berechtigt seien, um Covid-Zertifikate auszustellen. «Diese konnten sich über eine kurze Online-Schulung sowie zusätzliche Unterlagen informieren», so Uhlmann. Nicht klar ist, was für Personen hier geschult wurden und warum Pharmasuisse davon nichts zu wissen scheint.
Covid-Zertifikat auf Knopfdruck mitten in der Nacht
Gemäss Pharmasuisse funktioniert das Ausstellen von Covid-Zertifikaten durch Apotheken erst im Kanton Waadt. Diese würden halt mit dem kantonalen System arbeiten – was reichlich umständlich erscheint, wenn das BIT eigens eine Apotheken-Schnittstelle anbietet. Beim BIT klingt der Ablauf eigentlich banal: Mitarbeiter meldet sich an und kann automatisiert mehrere Zertifikate ausstellen. Diese können entweder ausgedruckt, als PDF versendet oder direkt in die Covid-Certificate-App geschickt werden.
Insofern können die Clubs hoffen, dass es diesen Samstag rund läuft, insbesondere bei denen, die mobile Teststrassen anbieten. Die Forderung, dass dort zwingend ein Zertifikat ausgestellt werden können muss, sei nämlich bereits erfüllt, sagt das BIT. «Das System ist seit Beginn so ausgelegt, dass die Ausstellenden Zertifikate rund um die Uhr generieren können», sagt Sonja Uhlmann. Einziger Haken: Die mobilen Teststrassen werden meist von Apotheken betrieben – die von all dem nichts mitbekommen haben wollen.