Angreifer von Halle gesteht antisemitischen Tathintergrund
Der mutmassliche Attentäter von Halle hat den rechtsextremen Hintergrund seiner Tat gestanden.

Das Wichtigste in Kürze
- Stephan B. sagt mehrere Stunden lang aus.
In einer mehrstündigen Vernehmung habe Stephan B. ein umfassendes Geständnis abgelegt und auch ein rechtsextremistisches, antisemitisches Motiv für seinen Anschlag angegeben, sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft am Freitag in Karlsruhe. Der 27-Jährige habe «sehr umfangreich» ausgesagt.
B. sitzt in Untersuchungshaft, ein Ermittlungsrichter erliess am Donnerstag Haftbefehl gegen ihn. Er soll am Mittwoch in Halle an der Saale einen 20 Jahre alten Mann und eine 40 Jahre alte Frau erschossen und zwei weitere Menschen durch Schüsse schwer verletzt haben. Zudem versuchte er nach den Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft in der Synagoge von Halle während eines Gottesdiensts ein «Massaker» anzurichten.
Nach Informationen des Magazins «Der Spiegel» entdeckten die Ermittler bei einer Durchsuchung in Helbra in Sachsen-Anhalt einen 3D-Drucker, den B. möglicherweise zur Herstellung von Schusswaffen eingesetzt haben könnte. Mit diesem Drucker lassen sich dreidimensionale Kunststoffteile herstellen, die auch zum Bau von Schiessgerät eingesetzt werden können.
Wie der «Spiegel» berichtete, befand sich der Drucker in einem gelegentlich von dem Tatverdächtigen genutzten Zimmer in der Wohnung seines Vaters. Die Ermittler gehen davon aus, dass der frühere Chemiestudent einen Grossteil der bei seinem Angriff verwendeten Schusswaffen selbst baute.
In einem weiteren Zimmer, in dem B. bei seiner Mutter wohnte, hätten die Fahnder eine Festplatte beschlagnahmt. In dem Raum seien zudem mehrere Zettel mit der Aufschrift «Niete» versteckt gewesen, mit denen der Rechtsextremist die Beamten offenbar verhöhnen wollte, berichtete das Magazin weiter. Die Mutter von B. habe «Spiegel TV» gesagt, die Tür des Zimmers sei stets verschlossen gewesen, er habe dort seine Privatsphäre gehabt.
Derweil ordnete das Innenministerium in Sachsen-Anhalt Trauerbeflaggung bis einschliesslich Montag an allen Dienstgebäuden des Landes an. Der Bundesrat gedachte der Opfer des Anschlags mit einer Gedenkminute. Der Präsident der Länderkammer, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), sagte vor dem Plenum in Berlin, die Ereignisse vom Mittwoch erfüllten ihn mit Trauer und Entsetzen. «Die Aufgabe der gesamten Gesellschaft ist es, die Verbreitung von Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu verhindern.»
Der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick hob angesichts des Anschlags die von Wissenschaftlern seit mehr als fünf Jahren beobachtete Radikalisierung in weiten Teilen der Gesellschaft hervor. «Der Antisemitismus ist im Rechtsextremismus ein Kernelement», sagte Zick der «Neuen Osnabrücker Zeitung» vom Freitag.
«Wenn sich die Szene radikalisiert und seit 2015 die Parole ausgibt, sich in den Widerstand zu bewegen, dann war es zu erwarten, dass der Antisemitismus als ein einigendes Element auch immer hasserfüllter und aktionsorientierter wird», betonte der Wissenschaftler. Bei Juden in Deutschland müsse von einem «immensen Bedrohungsgefühl» ausgegangen werden, sagte Zick mit Verweis auf eine Befragung von 500 jüdischen Menschen im Sommer 2016. «Viele Menschen können sich nicht vorstellen, was jüdische Menschen im Alltag erleben.»
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth von den Grünen sagte der «Augsburger Allgemeinen» vom Freitag, sie wolle Demokratieförderung zum Gesetz machen. «Wir müssen Organisationen stärker unterstützen, die Demokratie fördern, gegen Rechtsextremismus oder Rassismus kämpfen, sich für den Schutz von Minderheiten einsetzen - dafür brauchen wir ein Demokratieförderungsgesetz.»