In einer kontroversen und teils emotionalen ersten Debatte hat der Bundestag am Mittwoch über die geplante Neuregelung der Organspende diskutiert.

Das Wichtigste in Kürze

  • Kritiker halten Widerspruchsmodell von Minister Spahn für verfassungswidrig.
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Organspendeausweis
Organspendeausweis - dpa/dpa/picture-alliance

Die mit einer Alternative zum Widerspruchsmodell von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angetretene Gruppe von Parlamentariern zweifelt die Verfassungsmässigkeit des Widerspruchslösung an. Die Gruppe um Spahn wiederum hält es für ethisch geboten, die Menschen dazu zu verpflichten, sich mit der Organspende auseinanderzusetzen.

Die Neuregelung wird unabhängig von der Fraktionszugehörigkeit diskutiert. Welches Modell sich am Ende durchsetzen wird, gilt als offen. Grünen-Chefin Annalena Baerbock warnte als Vertreterin des Alternativmodells vor verfassungsrechtlichen Problemen des von Bundesgesundheitsminister Spahn mitgetragenen Vorschlags. Gesetze müssten auch verfassungskonform sein, sagte Baerbock. Ihre Gruppe halte die von Spahn geplante Widerspruchslösung «für einen unverhältnismässigen Eingriff, weil es mildere Mittel gibt».

Baerbock sagte, das von ihrer Gruppe erarbeitete Modell sei verfassungsrechtlich unproblematisch und lasse sich schnell umsetzen. Ein Vorteil sei das dazugehörige Online-Register, mit dem Krankenhäuser schnell sehen könnten, ob ein Mensch Organspender sei oder nicht.

Auch der Linken-Abgeordnete Niema Movassat zweifelte an der Verfassungsmässigkeit von Spahns Plänen. «Das ist unvereinbar mit der Menschenwürde», sagte Movassat zu dem Vorhaben, dass die Menschen künftig aktiv widersprechen müssten, wenn sie eine Organspende ablehnen. Dies sei verfassungswidrig. «Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, nachdem Schweigen Zustimmung ist.»

Dagegen sagte der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach, der mit Spahn die Widerspruchslösung als neues Modell entwickelt hat, er argumentiere ausdrücklich aus einer ethischen Motivation für seinen Vorschlag. Jeder wolle automatisch auch Empfänger eines Spenderorgans sein, wenn er eines benötige. Dann müsse es für die Menschen aber auch zumindest die Pflicht geben, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen und zu widersprechen, falls die Organspende doch abgelehnt werde.

Auch Spahn argumentierte mit ethischen Fragen. Die Freiheit des Erkrankten, der regelmässig wegen seiner kranken Niere zur Dialyse müsse oder auf ein Spenderherz warte, sei deutlich mehr eingeschränkt, als die Freiheit durch die Verpflichtung zu einer Entscheidung eingeschränkt werde. In einer freien Gesellschaft sei die Verpflichtung, sich entscheiden zu müssen, zumutbar. Das Modell von Baerbock bringe zudem keinen Fortschritt zur bestehenden Rechtslage.

Das von Spahn und Lauterbach entwickelte Modell der Widerspruchslösung sieht vor, dass jeder als Organ- oder Gewebespender eingestuft wird, der dem nicht ausdrücklich widerspricht. Das Modell der Gruppe um Baerbock sieht wie bisher die notwendige Zustimmung zu einer Organspende vor, neu ist hier im Wesentlichen das bundesweite Online-Register.

Die erste Bundestagsdebatte war zum Teil auch von persönlichen Beiträgen der Abgeordneten geprägt. So berichtete die SPD-Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar von einem sechsjährigen Jungen aus ihrem Wahlkreis, der ein Spenderherz benötige. Weil sie sich in Spanien schnellere Chancen ausrechne, sei die Mutter mit dem Kind jetzt nach Barcelona gezogen. «Den Menschen auf der Warteliste läuft die Zeit davon», sagte Dittmar. Sie warb für das Widerspruchsmodell.

Dagegen plädierte die FDP-Abgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus für die Zustimmungslösung der Gruppe um Baerbock. Sie habe auch einen Schwager gehabt, der jahrelang vergeblich auf ein Spenderorgan gewartet habe. Dennoch finde sie, «der Staat darf aus einem Akt der Freiwilligkeit, der freiwilligen Solidarität, keinen Pflichtakt machen. Denn das Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen von uns hat etwas mit Würde zu tun».

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