Biden und Putin: Medien in Russland und USA analysieren den Gipfel
Das Wichtigste in Kürze
- Joe Biden und Wladimir Putin trafen sich gestern Mittwoch zum Gipfel in Genf.
- Bei den US- sowie den russischen Medien herrscht Konsens: Putin ist der grosse Gewinner.
- Die Organisation in Genf wird von einer deutschen Zeitung gelobt.
- Einigen Journalisten dürfte Genf jedoch in schlechter Erinnerung bleiben...
Die Erwartungen an das Gipfeltreffen zwischen Joe Biden und Wladimir Putin waren im Vornerein nicht gerade sehr hoch. Im Nachhinein war zumindest auf beiden Seiten von «konstruktiven» Gesprächen die Rede.
«Der Ton des ganzen Treffens war gut, positiv», so das Fazit von Biden. Derselben Meinung war auch Putin: «Ich meine, dass es keinerlei Feindseligkeiten hab – im Gegenteil.» Der US-Präsident und der Kremlchef gaben sich also ganz staatsmännisch.
Etwas spannender ist deshalb der Blick nach Russland und in die USA – genauer gesagt zu den Medien der beiden Länder.
«CNN»: «Putin bekam genau das, was er wollte»
Die US-Nachrichtenseite «CNN» analysiert nüchtern: «Abgesehen von einigen grundsätzlichen Verpflichtungen zur Wiedereinstellung von Diplomaten und der Zusage, einen ‹konstruktiven› Dialog über Themen wie Cybersicherheit und Aussenpolitik zu führen, gab Putin keinen Hinweis darauf, dass das Treffen einen Sinneswandel erzwungen hätte.»
Die Pressekonferenz des Kremlchefs beschrieb die US-Nachrichtenseite als bekannte «abgefasste Moralpredigt» über anti-amerikanischen «Whataboutism», um von Kritik an der Russischen Föderation abzulenken. Und weiter: «Keine noch so freundlichen Worte werden ihn davon abhalten, seine politische Agenda sowohl zu Hause als auch im Ausland nahezu ungestraft mit Nachdruck zu verfolgen.»
Fazit von «CNN»: «Putin ging nach Genf und bekam genau das, was er wollte. Und er verliess die Schweiz mit einem grossen diplomatischen Sieg, indem er einfach nur am Treffen teilnahm.» Auch andere US-Medien sehen den Gipfel als «klaren Sieg» für den Kremlchef.
Spannend: «ABC News» nahm die besondere Körpersprache der beiden bei den gemeinsamen Fotos ins Visier. «Beide wirkten sehr entspannt, das war genau das, was Putin wollte. Der russische Präsident auf Augenhöhe mit dem US-Präsidenten», analysierte Martha Raddatz, die Chefin des Ressorts für globale Angelegenheiten bei dem Sender.
Russische Staatsmedien beurteilten Krawatten-Wahl
In den russischen Medien finden sich weniger Analysen zum Treffen, sondern mehr faktenbasierte Artikel. Der Ton ist dabei grundsätzlich positiv. Es wird beispielsweise berichtet, worüber genau gesprochen wurde, und was die Staatsoberhäupter bei der Pressekonferenz für Aussagen machten.
Die russische Agentur «Ria Novosti» liess den Gipfel zumindest von einem Experten einordnen. Ignacio Bartesagi, Direktor des Instituts für Internationale Wirtschaft an der Katholischen Universität Uruguay, kam dabei zum Schluss: «Putin gewinnt bei diesem Treffen die Oberhand, weil die Vereinigten Staaten seine Rolle bei der Behandlung verschiedener Themen auf der Weltagende anerkannt haben.»
Spannend: Die Staatsmedien legten während der Live-Berichterstattung kaum Wert darauf, über die vielen Streitpunkte der beiden Länder zu berichten. Vielmehr wurde eine gewisse «Machtdynamik» analysiert: die Wahl der Krawatten.
Bei «Ria Novosti» gaben zwei Experten für Business-Etikette ihre Einschätzungen darüber ab, was Bidens hellblaue Krawatte und Putins burgunderrote, geometrisch gemusterte Krawatte über ihre Persönlichkeiten aussagen könnten. Ihr Fazit: Die Halsbekleidung des Kremlchefs signalisiere seine essenzielle Entschlossenheit, während Bidens Krawatte wie etwas aussehe, das ein Kind tragen könnte.
«FAZ»: «Schweiz wurde ihrem Ruf gerecht»
Das Gipfeltreffen hatte für kurze Zeit Genf in den Fokus der Weltöffentlichkeit gerückt. Die Schweiz habe ihrem Ruf als Ort für weltpolitische Treffen kaum besser gerecht werden können, schreibt etwa die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ) in ihrer Analyse des Gipfeltreffens.
Selbst architektonisch habe Neutralität geherrscht. Wegen der Symmetrie des Hauses hätte beiden Präsidenten und ihren Beratern exakt der gleiche Raum zur Verfügung gestanden. Die «FAZ» erinnert daran, dass es ebenfalls in Genf gewesen sei, als Ronald Reagan und Michael Gorbatschow bei ihrem Treffen 1985 unerwartet das Ende Kalten Krieges eingeläutet hätten.
Einigen Journalisten dürfte Genf jedoch in schlechter Erinnerung bleiben, kam es doch zu Tumulten beim Handschlag zwischen Biden und Putin, als Sicherheitspersonal Fotografen aus dem Saal bugsierte. «Das ist der schlimmste Gipfel seit neun Jahren», twitterte eine amerikanische Journalistin.