May will mit Rücktrittsangebot Brexit-Abkommen retten
Im Ringen um einen geordneten EU-Austritt ihres Landes hat die britische Premierministerin Theresa May ihren Rücktritt angeboten.
Das Wichtigste in Kürze
- Britisches Unterhaus stimmt über acht Alternativen zum Austrittsvertrag ab.
Sie sei bereit, ihr Amt vorzeitig aufzugeben, wenn das Unterhaus dem Abkommen mit der EU doch noch zustimme, erklärte May am Mittwoch kurz vor einer wegweisenden Abstimmung über Alternativen zum Brexit-Vertrag. Zu den Vorschlägen zählten ein harter Brexit, eine Zollunion und ein Rückzug des Austrittsantrags.
May kündigte an, sich vor den Verhandlungen über die künftigen Beziehungen Grossbritanniens zur EU zurückzuziehen. Es gebe den Wunsch nach einem «neuen Ansatz, einer neuen Führung» in der nächsten Brexit-Phase, erklärte May nach Angaben ihres Büros bei einem Treffen mit konservativen Abgeordneten. Sie werde dem nicht entgegenstehen.
Sie sei bereit, ihr Amt zugunsten des Landes und ihrer Partei früher als geplant aufzugeben. «Aber wir müssen das Abkommen durchbringen und den Brexit abschliessen», betonte May. «Ich bitte jeden in diesem Raum, das Abkommen zu unterstützen, so dass wir unsere historische Pflicht erfüllen können: Die Entscheidung des britischen Volkes umzusetzen und die Europäische Union auf geordnete Weise zu verlassen.»
Die Premierministerin sah sich zuletzt mit Rücktrittsforderungen auch aus den eigenen Reihen konfrontiert. Der Abgeordnete Nigel Evans hatte May zuvor aufgefordert, ihren Rückzug anzukündigen, um so doch noch eine Verabschiedung ihres Brexit-Deals im Unterhaus erreichen zu können.
Am Abend stimmten die britischen Abgeordneten über acht Alternativen für den Brexit-Vertrag ab, die Parlamentspräsident John Bercow aus 16 Anträgen ausgewählt hatte. Dazu gehören ein harter Brexit, eine Zollunion mit der EU und ein Referendum über einen vom Parlament abgesegneten Austrittsvertrag.
Im Unterhaus wurden Stimmzettel verteilt, auf denen die unterschiedlichen Optionen aufgelistet wurden. Neben jedem Vorschlag konnten die Abgeordneten ankreuzen, ob sie dafür oder dagegen sind. Sie konnten sich dabei für so viele Optionen aussprechen, wie sie wollen. Die Ergebnisse sollen gegen 22.00 Uhr bekanntgegeben werden.
Mit den Abstimmungen soll sondiert werden, welche Vorlagen im Unterhaus mehrheitsfähig sind. Die Vorschläge, welche die grösste Unterstützung bekommen, sollen voraussichtlich am Montag erneut ins Plenum kommen.
Das Unterhaus hatte das Brexit-Abkommen bereits zweimal mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Einige Kritiker konnte May mit ihrer Rücktrittsankündigung aber offenbar umstimmen. Der frühere Aussenminister Boris Johnson kündigte laut Medienberichten an, er wolle nun für Mays Abkommen stimmen. Auch mehrere andere Brexit-Hardliner wollen den Vertrag nun unterstützen.
Die Regierung strebt eine weitere Abstimmung über den Brexit-Deal für Donnerstag oder Freitag an. Parlamentspräsident Bercow machte am Mittwoch allerdings erneut deutlich, dass dies nur möglich sei, falls es weitreichenden Änderungen an dem Vertrag gebe.
Bercow hatte eine dritte Abstimmung über den Austrittsvertrag verhindert, der zudem kaum Erfolgsaussichten eingeräumt worden wären. Er verwies auf eine Regelung aus dem Jahr 1604, wonach die Regierung einen bereits abgelehnten Text unverändert nicht mehrmals vorlegen darf.
Nimmt das Unterhaus den Brexit-Vertrag von May doch noch an, wird der EU-Austritt des Landes auf den 22. Mai verschoben. Ohne einen Beschluss müsste London die EU bis zum 12. April über das weitere Vorgehen informieren. Konkret geht es um die Entscheidung, ob das Vereinigte Königreich an der Europawahl Ende Mai teilnimmt oder nicht. Bei einer Teilnahme müsste das Austrittsdatum noch einmal verschoben werden.
EU-Ratspräsident Donald Tusk sprach sich am Mittwoch für eine Teilnahme der Briten an der Europawahl aus, sollte das Vereinigte Königreich eine längere Zeit benötigen, um seine «Strategie zu überdenken». «Sie dürfen die wachsende Mehrheit (der Briten) nicht verraten, die in der Europäischen Union bleiben wollen», appellierte Tusk vor dem Europaparlament in Strassburg an die Abgeordneten.
Tusk erinnerte in diesem Zusammenhang an die Petition für den Verbleib Grossbritanniens in der EU, die von mehr als fünf Millionen Briten unterzeichnet wurde, sowie an die Londoner Massenkundgebung gegen den Brexit vom Wochenende.