Das bedeutet Frankreichs Regierungssturz für die Schweiz
Das Parlament hat Frankreichs Premierminister abgesetzt. Die Probleme gehen weit über die schwierige Suche eines Nachfolgers hinaus.
Das Wichtigste in Kürze
- Frankreich hat im Moment keine Regierung mehr.
- Wie es nun weitergehen soll, ist derzeit nicht klar.
- Die Regierungskrise hat weitreichende Folgen bis in die Schweiz und die Ukraine.
Frankreichs Premierminister Michel Barnier ist nicht mehr Premierminister. Das Parlament hat ihn im Rahmen des Budgetstreits abgesetzt. Damit stehen Frankreich und Präsident Emmanuel Macron nun da ohne Regierung, ohne Budget, aber weiterhin mit rekordhohen Schulden.
Die Regierungskrise im Nachbarland hat primär zwei Ebenen: Eine innenpolitische, mit Marine Le Pen und ihrem Rassemblement National im Zentrum. Und eine finanzielle, mit weitreichenden Folgen: für Frankreich, für den Ukraine-Krieg, für die Euro-Zone und damit auch für die Schweizer Wirtschaft und Konsumenten.
Was hat sich Marine Le Pen bloss dabei gedacht?
Innenpolitisch scheint niemand so recht zu wissen, wie es weitergehen könnte. Das Ziel von Marine Le Pen und der linken Allianz scheint zu sein, Emmanuel Macron loszuwerden. Doch sieht man sich nun mit Patt-Situationen konfrontiert, wohin man auch blickt.
Aktuell hätte Marine Le Pen eigentlich einen Fuss in der Regierungs-Türe gehabt: Weil Präsident Macron auf die Stimmen des Rassemblement National angewiesen war, konnte sie ihm einiges aufzwingen.
Le Pen soll wegen des Prozesses gegen sie rund um die Veruntreuung von EU-Geldern in Zugzwang geraten sein. Das wird zumindest vermutet, denn bei einer Verurteilung droht ihr sofortige Unwählbarkeit.
Nur: Ein Urteil wird Ende März erwartet. Weil aber gerade erst im Juni 2024 vorgezogene Neuwahlen stattfanden, sind gemäss Verfassung erneute Neuwahlen erst im Sommer 2025 möglich.
Dringend gesucht: Premierminister (m/f), 100 Prozent, ab sofort
Also braucht es eine neue Regierung. Um eine solche zu bilden, brauchte Macron schon im letzten Anlauf rund drei Monate. Einen neuen Premier zu finden, gilt als fast unmöglich. Die drei Lager im Parlament sind etwa gleich gross, wollen aber partout nicht miteinander zusammenarbeiten.
Stand heute wird Frankreich bis im Sommer mit einer permanenten Regierungskrise leben müssen. Die selbstverschuldete Handlungsunfähigkeit hat aber massive Konsequenzen: Bei allem Protest, ein Budget hat man nun immer noch nicht. Und ein solches wäre dringend nötig, denn Frankreich muss unbedingt seinen Schuldenberg von 3,3 Billionen Euro in den Griff kriegen.
Frankreichs Budgetkrise hat Folgen für Europa und Schweiz
Womit wir bei den finanziellen Aspekten der französischen Unpässlichkeiten wären. Zuerst die gute Nachricht: Es ist bei Frankreich nicht ganz so schlimm wie damals bei Griechenland in den Zehner-Jahren. Frankreichs Schuldenquote ist noch nicht ganz so hoch wie damals die griechische.
Zudem ist Frankreichs Wirtschaft produktiv. In den letzten zwei Jahren konnte sie dazu beitragen, dass die Staatsverschuldung trotz Defizit sank. Aber nichtsdestotrotz: Ohne Budget ist kein Staat zu machen, denn nun sind auch die geplanten Entlastungsmassnahmen vom Tisch.
Frankreich wirtschaftlich «too big to fail»
Auch andere EU-Länder müssen sparen, das Wirtschaftswachstum verlangsamt sich. Für Frankreich heisst das: Prioritäten setzen. Investitionen in die Verteidigung oder in die Aufrüstung der Ukraine würden wohl zusammengestrichen. Das wiederum hätte geopolitische Folgen, die kaum abzuschätzen sind.
Frankreich ist indes zu gross und hat zu viel politisches Gewicht, um ökonomisch völlig abzustürzen: Es ist für die Eurozone «too big too fail». Die wirtschaftliche Stärke – Frankreich trägt rund 17 Prozent zur Wirtschaftsaktivität der Eurozone bei – wird aber auch zur Belastung. Stottert der französische Wirtschaftsmotor, sinkt das Vertrauen in Investitionen in den Euro.
Bei einem schwachen Euro wird der Franken umso stärker. Nicht unbedingt ein wünschenswertes Szenario aus Schweizer Sicht, auch wenn dadurch Ferien im Euroraum günstiger werden. Auch Importe, sowohl von Unternehmen als auch beim privaten Shopping, wären dann billiger.
Starker Franken hätte Vor- und Nachteile
Hingegen käme die Exportindustrie unter Druck und damit auch die Löhne in diversen Branchen. Bei einem starken Franken bleiben auch ausländische Touristen weg und weichen auf Destinationen in Österreich oder Italien aus.
Ein zu starker Franken könnte auch die Nationalbank unter Zugzwang bringen. Bereits vor der französischen Regierungskrise wurde über die Wiedereinführung von Negativzinsen spekuliert. Diese wiederum könnten unter anderem Pensionskassen in Schwierigkeiten bringen und den Immobilienmarkt anheizen, mit Folgen für die Mieten.
Umgekehrt wären mit Negativzinsen dann wohl auch Hypotheken und Kredite günstiger. Als direkte Folge davon würde der Referenzzinssatz gesenkt. Damit hätten Mieterinnen und Mieter Anspruch auf Mietzinssenkungen – zumindest in der Theorie.