Deutsche Politik wird von Welle der Gewalt heimgesucht
Deutschland wird von einer Welle der Gewalt gegen Politiker heimgesucht. Linke sehen die AfD am Ursprung – doch ausgerechnet AfDler sind am häufigsten Opfer.
Das Wichtigste in Kürze
- Deutschland wird von einer Gewaltwelle gegen Politiker und Politikerinnen heimgesucht.
- Viele sehen die AfD am Ursprung der Gewaltspirale – die Partei verbreite Hass und Hetze.
- Tatsächlich werden ausgerechnet AfD-Politiker am häufigsten Opfer von physischen Attacken.
Derzeit wird die Bundesrepublik Deutschland von einer Welle der Gewalt gegen politische Amtsträger heimgesucht: Am Freitagabend verprügeln vier Unbekannte den sächsischen SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahlen, Matthias Ecke. Bereits am Donnerstag wird in Essen ein Lokalpolitiker der Grünen geschlagen, am Samstag davor ein AfD-Politiker in Niedersachsen.
Noch am Sonntag reagiert Deutschland – im ganzen Land gehen Tausende auf die Strassen, um gegen die Gewalt zu demonstrieren. Auch die Politik will handeln: Am Mittwoch werden die Innenminister von Bund und Ländern an einem entsprechenden Treffen teilnehmen. Sie wollen mögliche Massnahmen diskutieren, um politisch aktive Personen besser vor Gewalt zu schützen.
Steht die AfD am Ursprung?
Für viele Politiker links der Mitte stehen die Schuldigen bereits heute fest. SPD-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach schiebt der AfD die Schuld an der Gewaltspirale zu: «Die AfD sät seit Jahren Hass und Hetze, wie es sie vorher in der Politik nicht gab, sie verursacht Gewalt.»
SPD-Innenministerin Nancy Faeser wiederum sieht «Extremisten und Populisten» in der Mitverantwortung: Mit «völlig entgrenzten verbalen Anfeindungen» schürten sie ein «Klima der Gewalt», erklärt sie gegenüber der «Bild».
Apropos «entgrenzte verbale Anfeindungen» – noch deutlicher werden die CDU-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst und Michael Kretschmer am Sonntag: Die Verantwortung liege bei der AfD, die Wüst erneut unverhohlen als «Nazipartei» bezeichnet. Kretschmer spricht seinerseits von «geistigen Brandstiftern», die die Bevölkerung seit 2017 zu solchen Taten anstachelten – gemeint ist die AfD.
Tatmotiv noch nicht geklärt
Die Tatverdächtigen im Fall Ecke konnten mittlerweile identifiziert werden – der Staatsschutz untersucht jetzt, ob die Tat politisch motiviert war. Noch ist allerdings unklar, welche Motive tatsächlich hinter der Attacke auf Matthias Ecke stehen.
Die deutschen Behörden haben allein im Jahr 2023 insgesamt 2790 Angriffe gegen Vertreterinnen und Vertreter von Bundestagsparteien verzeichnet. Im Vergleich mit 2019 bedeutet dies fast eine Verdoppelung der Delikte – die Situation scheint sich tatsächlich zuzuspitzen. Die meisten dieser Angriffe sind allerdings deutlich weniger brisant als diejenigen der vergangenen Wochen: Es handelt sich um Äusserungsdelikte wie Gewaltandrohungen und Beleidigungen.
AfD am häufigsten Opfer von physischer Gewalt
Unter vergleichbaren physischen Gewaltdelikten gegen Politiker und Politikerinnen leidet – entgegen anderslautenden Behauptungen – aber ausgerechnet die AfD am meisten: Zwischen 2019 und 2023 wurden Mitglieder der Partei in 469 Fällen Opfer körperlicher Attacken. Damit hat die Partei diese unrühmliche Rangliste in vier von fünf Jahren angeführt. Sie ist in mehr als 40 Prozent der Gewaltdelikte gegen Politiker in der Opferrolle.
An zweiter Stelle folgen die Grünen – sie wurden seit 2019 in 213 Fällen Opfer von physischen Angriffen. Überdies ist hier seit 2019 eine stetige Zunahme zu beobachten. Im Bereich der Äusserungsdelikte wiederum waren die Grünen der grössten Ablehnung ausgesetzt – gefolgt von der SPD. Sämtliche dieser Zahlen stammen aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der AfD.
Entsprechend prangert der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft eine gewisse Doppelmoral an: «Terror gegen Politiker muss immer verurteilt werden, das geht gar nicht», erklärt Rainer Wendt gegenüber der «Bild»-Zeitung. «Das gilt aber auch dann, wenn es gerade keine linken oder grünen Politiker sind. Wer das nicht kapiert, schürt die Spaltung der Gesellschaft immer weiter an.»