Erschleicht sich Trump via Corona-Infektion die ewige Jugend?
Die Mehrheit der Amerikaner glaubt nicht, was das Weisse Haus über Präsident Donald Trumps Gesundheit sagt. Hat er sich überhaupt mit Coronavirus angesteckt?
Das Wichtigste in Kürze
- In den USA kursieren Gerüchte: Ist die Corona-Infektion von Donald Trump wirklich echt?
- Eine Schnellanalyse zeigt auf, wie viel an diesen Hypothesen dran sein könnte.
- Donald Trump könnte aber auch ganz banale Gründe für seinen Spital-Besuch gehabt haben.
Der Präsident der Vereinigten Staaten vom Coronavirus getroffen im Spital, kurz vor den Wahlen. Der Präsident zurück im Weissen Haus, sich selbst demaskierend, in Heldenpose auf dem Balkon. Medien, Politologen, Rivalen analysieren: Wird ihm die Episode schaden? Oder wird er zum Märtyrer, gestärkt in der öffentlichen Wahrnehmung, Anteilnahme heischend?
Trump und sein Team setzen alles daran, Zweiteres wahr werden zu lassen. Oder war das von Anfang an die Absicht und die Covid-Erkrankung nur ein Fake? Seit Wochen warten US-Wähler auf die «October surprise», die überraschende Wende, wie sie oft kurz vor Präsidentschafts-Wahlen vorkam. Einige haben genau dies vorausgesagt: Fake-Infektion, alle Kameras weg von Konkurrent Joe Biden, magische Heilung durch Hydroxychloroquin.
Oder… wollte sich Donald Trump, 74 Jahre alt, übergewichtig und diabetes-gefährdet, einfach unsterblich machen? Betrachten wir die Ausgangslage.
Mit dem Rasiermesser analysiert
Zur Beweisführung bei eingeschränktem Wissen und unter Zeitdruck benutzt die Forschung oft das Sparsamkeitsprinzip, auch bekannt als «Ockhams Rasiermesser». Bei mehreren möglichen Erklärungen ist die einfachste vorzuziehen: Die mit den wenigsten Variablen und (wilden) Hypothesen. Die anderen fallen dem Rasiermesser zum Opfer.
Ein ideales Werkzeug im Fall Trump: Wie der Dokumentarfilmer Michael Moore herausstreicht, ist er ein notorischer Lügner. Deshalb, so Moore, könnte es sein, dass er auch über seine Corona-Erkrankung lügt. Ein geniales Ablenkungsmanöver, orchestriert vom Reality-TV-Star Trump? Besteht die Theorie den Rasiermesser-Test?
Dutzende involviert
Trump braucht positive Schlagzeilen nach den negativen zu seinen Steuern, dem Woodward-Buch und seinen Fans aus dem Neonazi-Lager. Also müssen alle mitspielen, unschlagbares News-Futter und damit Gratis-Propaganda zu generieren.
Ein Dutzend Ärzte tut so, als seien sie bei der Arbeit und nicht beim Plauderstündchen mit einem Gesunden. Generäle und republikanische Abgeordnete, die First Lady und zahlreiche enge Mitarbeiter tun so, als seien sie ebenfalls infiziert. Ein bisschen Helikopter, ein bisschen gepanzerte Karosse und Winke-winke. Bei der Rückkehr ins Weisse Haus ein paar Worte mit etwas übertrieben geschauspielerter Atemlosigkeit.
Das alles garniert mit einem experimentellen Medikament und Doping mit Steroiden, kurz vor dem Endkampf gegen Joe Biden. Zu viele Hypothesen? Rasiermesser gezückt, weg damit, es braucht nur eine: Die letzte. Die Garnitur.
Donald Trump pachtet den Jungbrunnen
Es wäre doch so naheliegend: Wer wollte nicht in den Genuss den neusten medizinischen Errungenschaften kommen, und erst noch gratis? Trump gibt vor, mit Coronavirus infiziert zu sein. Sofort kümmert sich ein Dutzend Ärzte um ihn – eine «Behandlung», die er nach dem 3. November eventuell nicht mehr so leicht bekommt.
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) October 5, 2020
Er erhält teure und weniger teure Medikamente: Remdesivir, Dexamethason, Vitamin D, Famotidin, Melatonin. Und ein unbezahlbares Medikament von Regeneron, das weniger als zehn Personen ausserhalb klinischer Tests je erhielten. Trumps Ärzte fordern es bei Regeneron an unter dem «Compassionate Use»-Programm, der «Anwendung aus Mitgefühl». So schön!
20 Jahre jünger
Könnte Trump damit durchkommen? Gut, insbesondere Dexamethason hat, wie viele Doping-Steroide, auch Nebenwirkungen. Darunter verschwommenes Sehen, Gewichtszunahme, psychischen Störungen wie Schlaflosigkeit, Stimmungsschwankungen, Halluzinationen, Angstgefühle, Delirium. Das fällt bei Trump ja gar nicht weiter auf.
Im Gegenteil, der US-Präsident bestätigt via Twitter, er fühle sich besser als vor 20 Jahren. Das mag auch an einer anderen Nebenwirkung von Dexamethason liegen: Euphorie. Das muss doch den Rasiermesser-Test bestehen. Trump hat sich kurz vor seiner möglichen Abwahl die maximale Dosis Lebensverlängerung verschafft – was wäre schon die Alternative?
Improvisieren und durchwursteln
Soll etwa der mächtigste Mann der Welt tatsächlich einfach so einer vermeidbaren Virus-Erkrankung zum Opfer gefallen sein? Mitten im Wahlkampf die Kernbotschaft und Terminplanung zu ändern, alles über den Haufen zu werfen, das macht niemand gerne. Trump muss seine Schwäche als Stärke darstellen, die richtigen Worte finden und ja keinen Fehltritt mehr begehen. Wie zum Beispiel die Maske im Weissen Haus gleich wieder abzulegen.
Oder zu behaupten, er habe gerade eben sehr viel gelernt über das Coronavirus. Die nationale Sicherheit gefährden, wenn der ganze Generalstab in Quarantäne muss. Parolen wie «lasst euch nicht vom Virus dominieren» wären ja total unglaubwürdig. Ockhams Rasiermesser kommt da ja kaum noch nach.
Nein, nein. Das war ein Plan. Der Mann denkt eben voraus. Ein stabiles Genie ist jetzt auch noch unsterblich geworden.