EU-Gipfel gibt Spitzenkandidaten kaum noch Chance auf Juncker-Nachfolge
Nach dem Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel tendieren die Chancen des Konservativen Manfred Weber und anderer Spitzenkandidaten auf die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gegen Null.
Das Wichtigste in Kürze
- Personalfrage auf Sondergipfel Ende Juni vertagt.

Nach EU-Ratspräsident Donald Tusk und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag, sie sehe derzeit keinen der Spitzenkandidaten als Nachfolger Junckers. Für den 30. Juni ist nun ein Sondergipfel zu der schwierigen Personalfrage geplant.
Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten sich am ersten Gipfeltag auch nach stundenlangen Beratungen nicht auf einen Nachfolger an der Kommissionsspitze einigen können. Es habe «keine Mehrheit für irgendeinen Kandidaten» gegeben, sagte Tusk.
Macron hatte in der Nacht zum Freitag gesagt, alle Spitzenkandidaten der grossen Parteien seien aus dem Rennen um die Juncker-Nachfolge. «Die Namen der drei Spitzenkandidaten wurden verworfen», sagte Macron, dessen Partei der liberalen Fraktion im EU-Parlament angehört. Nach dem Gipfel sagte er, es sei «ein Prozess angelaufen, damit auch andere Namen auftauchen».
Auf den Posten des Kommissionschefs hatten sich neben dem Konservativen Weber auch der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans und die dänische EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager von den Liberalen Hoffnungen gemacht.
Merkel sagte am Freitag, sie nehme Tusks Bewertung ernst, «dass keiner der Spitzenkandidaten eine Mehrheit im Europäischen Rat hat». Und sie sehe «im Augenblick nicht, dass sich an dieser Feststellung etwas ändern kann».
Sie verwies zudem darauf, dass der Kommissionspräsident bei den Staats- und Regierungschefs die Unterstützung von 21 der 28 EU-Länder haben muss, dann aber auch im EU-Parlament eine Mehrheit finden müsse. Merkel rechnete mit «schwierigen Diskussionen» zwischen beiden Institutionen.
Am Freitag ging es beim Brüsseler Gipfel offiziell um die Reform der Währungsunion. Dennoch kamen am Rande nochmals Merkel und Macron zusammen. Danach traf der französische Präsident unter anderem mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte als Vertreter der Liberalen sowie dem sozialistischen spanischen Regierungschef Pedro Sánchez nochmals zu Gesprächen über die Top-Jobs zusammen.
Der Grossteil der Fraktionen im Europaparlament will das Prinzip durchsetzen, dass nur ein Spitzenkandidat bei der EU-Wahl Juncker-Nachfolger werden kann. Macron dagegen hatte das Spitzenkandidaten-Prinzip vor Gipfelbeginn erneut abgelehnt. Es ist aus seiner Sicht nur sinnvoll, wenn es bei der Europawahl länderübergreifende und nicht nationale Kandidatenlisten gibt.
Merkel äusserte sich nach dem ersten Gipfeltag ähnlich: Bei dem Spitzenkandidaten-Prinzip stehe die EU «auf halben Wege», sagte sie. Nur mit transnationalen Listen werde es ein wirklich «transparentes Verfahren» geben.
Tusk betonte derweil, Ziel sei weiter «ein Paket» bei der Postenvergabe. Dieses müsse die Vielfältigkeit der EU widerspiegeln. Zu vergeben sind neben dem Posten des EU-Kommissionschefs auch die Ämter des EU-Ratspräsidenten, des Aussenbeauftragten, des Parlamentspräsidenten und des Chefs der Europäischen Zentralbank (EZB).
Merkel hatte schon zum Gipfel-Auftakt gesagt, es sei «nicht bedrohlich», wenn es «heute noch kein Ergebnis gibt». Ziel sei «unbedingt», eine Entscheidung über ein Personalpaket zu treffen, bevor das neue Europaparlament am 2. Juli erstmals zusammenkomme.
Denn dieses muss dann einen Parlamentspräsidenten wählen, um arbeitsfähig zu werden. Damit wäre bereits einer der Spitzenposten vergeben. Diejenige Partei, die den Parlamentspräsidenten stellt, müsste dann bei anderen Top-Jobs der politischen Konkurrenz das Feld überlassen.
EU-Kommissionspräsident Juncker kommentierte mit Humor das Scheitern der Suche nach einem Nachfolger: «Ich nehme mit viel Vergnügen zur Kenntnis, dass es sehr schwierig ist, mich zu ersetzen.»