Trotz der Einigung der EU-Mitgliedsstaaten auf einen erneuten Brexit-Aufschub um bis zu drei Monate setzt sich die innenpolitische Blockade in Grossbritannien fort.
Boris Johnson im Parlament
Boris Johnson im Parlament - PRU/AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • EU-Mitgliedsstaaten gewähren London dreimonatigen Brexit-Aufschub.
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Das Londoner Unterhaus lehnte am Montagabend die von Premierminister Boris Johnson geforderten vorgezogenen Neuwahlen am 12. Dezember ab. Johnson kündigte im Anschluss einen weiteren Anlauf am Dienstag an. Zuvor hatte er die von der EU gewährte Fristverlängerung für den Brexit bis zum 31. Januar angenommen.

Bei der Abstimmung über vorgezogene Neuwahlen verfehlte Johnson die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. 299 Abgeordnete stimmten für den Antrag, 70 dagegen. Der Premier kritisierte das Ergebnis und versprach, die «Lähmung» im Brexit-Streit zu beenden. «Dieses Parlament kann das Land nicht mehr länger in Geiselhaft nehmen», sagte Johnson.

Der Regierungschef kündigte an, mittels eines anderen Verfahrens einen neuen Versuch für Neuwahlen am 12. Dezember zu starten. Um die entsprechende Gesetzesvorlage durch das Parlament zu bringen, bräuchte Johnson nur eine einfache Mehrheit. Das Unterhaus könnte bereits am Dienstag darüber beraten und abstimmen. Der Regierungschef hofft mit Neuwahlen auf eine klare Mehrheit, um das von ihm mit der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen durch das Parlament zu bekommen.

Das Vorhaben könnte von einigen Oppositionsparteien unterstützt werden. Zwei pro-europäische Parteien, die Schottische Nationalpartei (SNP) und die Liberaldemokraten, hatten bereits einen eigenen Antrag zu vorgezogenen Neuwahlen am 9. Dezember angekündigt. Sie hatten dabei die Verschiebung des EU-Austritts bis zum 31. Januar zur Voraussetzung gemacht.

Vor den Beratungen des britischen Unterhauses über Neuwahlen hatten die EU-Mitgliedsländer bei einem Treffen ihrer Botschafter in Brüssel einer Brexit-Verlängerung bis Ende Januar zugestimmt. Grossbritannien könnte demnach aber auch zum 1. Dezember oder zum 1. Januar austreten, wenn London das mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen ratifiziert.

Es werde erwartet, dass die Entscheidung der EU-Botschafter nun im schriftlichen Verfahren durch die Regierungen in den Hauptstädten bestätigt werde, schrieb EU-Ratspräsident Donald Tusk im Kurzbotschaftendienst Twitter. Ein Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs ist damit nicht notwendig.

Nach Angaben aus EU-Kreisen musste auch Grossbritannien noch dem Verlängerungsbeschluss zustimmen, bevor das schriftliche Verfahren beginnen kann. Johnson erklärte sich am Montag in einem Brief an Tusk mit dem Aufschub einverstanden. Das gesamte Zustimmungsverfahren könnte dabei bis Dienstag beendet werden. «Normalerweise dauert das schriftliche Verfahren 24 Stunden», hiess es aus EU-Kreisen.

Ursprünglich war der britische EU-Austritt am 31. Oktober vorgesehen. Johnson ist es aber nicht gelungen, das mit Brüssel ausgehandelte Austrittsabkommen durch das Parlament zu bringen. Deshalb musste er auf Druck des britischen Parlaments die Verlängerung beantragen. Es handelt sich bereits um die dritte seit Ende März.

EU-Verhandlungsführer Michel Barnier zeigte sich nach dem Treffen der EU-Botschafter «sehr zufrieden» mit der Entscheidung. Denn ein chaotischer Brexit ohne Abkommen ist durch die Verlängerung bis Ende Januar definitiv ausgeschlossen.

Regierungssprecher Steffen Seibert sprach von einer «guten Lösung». «Jetzt liegt der Ball bei Grossbritannien», sagte er in Berlin.

Die EU-Staaten machten in ihrem Verlängerungsbeschluss gleichzeitig klar, dass sie keinesfalls nochmals zu Nachverhandlungen an dem Austrittsabkommen bereit sind. «Die Verlängerung schliesst jegliche Wiedereröffnung des Austrittsabkommens aus», heisst es in den der Nachrichtenagentur AFP vorliegenden Beschlussunterlagen.

Grossbritannien wird zudem aufgefordert, einen EU-Kommissar zu ernennen, wenn es über die Zeit des Amtsantritts der neuen EU-Kommission unter Ursula von der Leyen in der Union bleibt. Dieser sollte eigentlich am 1. November erfolgen, wurde aber nun auf frühestens den 1. Dezember verschoben, weil drei Kommissionskandidaten aus Frankreich, Rumänien und Ungarn bei ihren Anhörungen im EU-Parlament durchgefallen sind.

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