Paus kritisiert Lindners Steuerplan: Hilft vor allem Top-Verdienern
Die Frage der Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger sorgt in der Ampel-Koalition weiter für Streit.
Das Wichtigste in Kürze
- Grünen-Ministerin fordert «zielgerichtete Unterstützung» für Einkommensschwache.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) kritisiert den Plan von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zur Abschaffung der kalten Progression in der Einkommensteuer - dies helfe vor allem Top-Verdienern. SPD-Chefin Saskia Esken plädiert dafür, staatliche Unterstützungsmassnahmen für Menschen mit wenig Geld besser bekannt zu machen.
Lindner hat angekündigt, im kommenden Jahr die kalte Progression abzubauen. Der Begriff bezeichnet den Effekt, dass jemand durch eine Lohnerhöhung, die lediglich die Inflation ausgleicht, in einen höheren Steuertarif rutscht und somit letztlich weniger Geld in der Tasche hat.
Details zu dem Vorhaben hat Lindner noch nicht genannt. In den nächsten Monaten wird der neue Progressionsbericht des Bundesfinanzministeriums erwartet: 2012 hatte der Bundestag beschlossen, dass die Regierung alle zwei Jahre einen Bericht über die Wirkung der kalten Progression vorlegen muss. Zuletzt erschien das Papier im Oktober 2020; es bezog sich auf die Jahre 2020 und 2021.
«Die Abschaffung der kalten Progression nützt vor allem den Top-Verdienern und ist eben kein geeignetes Instrument, um Familien in unteren und mittleren Einkommen zielgenau zu unterstützen», sagte Paus der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (NOZ) vom Samstag. «Ich plädiere klar dafür, die Finger von der kalten Progression zu lassen und andere Hebel für zielgerichtete Unterstützung, wie ein höheres Kindergeld, anzusetzen.»
Die aktuelle Krise habe eine Dimension, die vom Staat nicht komplett ausgeglichen werden könne, sagte Paus. «Wichtig ist, dass wir diejenigen unterstützen, die existenziell bedroht sind. Das sind vor allem einkommensschwache Familien und Rentnerinnen und Rentner.» Die Hartz-IV-Regelsätze, das Kindergeld und das Wohngeld müssten erhöht werden, ebenso der Kinderzuschlag.
Die SPD-Vorsitzende Esken sorgt sich derweil, dass manche Menschen gar nicht wissen, wie der Staat sie unterstützen kann. «Mit einer Infokampagne muss es uns gelingen, dass mehr Menschen das Wohngeld kennen und es bei Bedarf beantragen», sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe mit Blick auf die geplante Wohngeld-Ausweitung.
«Mit allen Antragsleistungen des Sozialstaats haben wir das Problem, dass sie vielen unbekannt sind und nicht alle die Leistungen in Anspruch nehmen, auf die sie ein Anrecht haben», bedauerte Esken. «Da müssen wir besser werden.»
Zur Finanzierung weiterer Entlastungen forderte Esken erneut eine Steuer auf Krisengewinne von Konzernen sowie eine Vermögensabgabe. «Aufgrund der Corona-Pandemie und infolge des russischen Krieges stehen manche am Rande ihrer Existenz, während andere ihr Einkommen und ihr Vermögen in der Krise noch deutlich steigern konnten», sagte sie. Es müsse «für einen gerechten Ausgleich» gesorgt werden, «wenn wir das gemeinsam durchstehen wollen». Finanzminister Lindner und die FDP lehnen sowohl eine Übergewinnsteuer als auch eine Vermögensabgabe ab.