Flüchtlinge von «Ocean Viking» auf Quarantäne-Schiff gebracht
Die 180 Flüchtlinge, die tagelang auf der «Ocean Viking» festgesessen hatten, haben das Schiff verlassen.
Das Wichtigste in Kürze
- Flüchtlingsretter dürfen zwei Wochen lang nicht auslaufen.
Sie wurden im sizilianischen Hafen Porto Empedocle in der Nacht zum Dienstag von der Polizei zum in der Nähe ankernden Quarantäne-Schiff «Moby Zaza» gebracht, wie ein AFP-Reporter berichtete. Die italienischen Behörden stellten auch das Schiff der Hilfsorganisation SOS Méditerranée und dessen Besatzung unter Quarantäne.
Flüchtlinge und Crew waren bereits zuvor an Bord der «Ocean Viking» von einem medizinischen Team der italienischen Behörden auf ihren Allgemeinzustand sowie eine Corona-Infektion untersucht worden. Die Migranten müssen nun noch zwei Wochen auf dem Quarantäne-Schiff bleiben. Die «Ocean Viking» wurde nach Angaben der Besatzung angewiesen, ebenso lange ausserhalb des Hafens vor Anker zu liegen.
Am Montag hatte eine andere Gruppe von 169 Migranten nach zweiwöchiger Quarantäne die «Moby Zaza» verlassen. Sie waren im Juni von der Organisation Sea Watch im Mittelmeer gerettet worden. 30 weitere Flüchtlinge dieser Gruppe waren positiv auf das neuartige Coronavirus getestet worden und blieben vorerst in einem isolierten Bereich auf dem Schiff.
Die «Ocean Viking» hatte vorher neun Tage lang auf die Erlaubnis der italienischen Behörden gewartet, in einen Hafen des Landes einlaufen zu dürfen. Diese Erlaubnis war dann am Sonntag erteilt worden.
Die Crew hatte am Freitag den Notstand ausgerufen, da sich die Lage an Bord zugespitzt hatte. SOS Méditerranée berichtete von mehreren Suizidversuchen und Auseinandersetzungen zwischen den Migranten, die hauptsächlich aus Pakistan, Bangladesch, Nigeria, Nordafrika und Eritrea stammen.
Die Flüchtlingshelfer hatten die Menschen nach eigenen Angaben zwischen dem 25. und 30. Juni aus dem Mittelmeer gerettet. Unter ihnen sind demnach 25 Minderjährige und eine Schwangere. «Die unnötige Verzögerung dieser Anlandung hat Leben in Gefahr gebracht», erklärte SOS Méditerranée und beklagte vor allem einen Mangel an europäischer «Solidarität».
Monat für Monat versuchen zahlreiche Menschen, in seeuntüchtigen Booten von Afrika über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Im vergangenen Jahr ertranken dabei nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) 1283 Menschen. In den vergangenen fünf Jahren gab es insgesamt mehr als 19.000 Tote. Seit Anfang des Jahres hat die Zahl der versuchten Überquerungen deutlich zugenommen.
Die Ocean Viking hatte Ende Juni nach dreimonatigem Stillstand im Heimathafen Marseille wegen der Corona-Pandemie die Rettungsaktionen wieder aufgenommen. Ähnlich ging es anderen Flüchtlingsorganisationen. Italien befürchtet nun einen deutlichen Anstieg der Zahl der ankommenden Flüchtlinge. Der Bürgermeister von Porto Empedocle forderte am Montag die Entsendung des Militärs zum «Schutz der Bürger». Das verhältnismässig arme Sizielien leide bereits stark unter der Corona-Krise.
Länder wie Italien und Malta verfolgen eine harte Linie und lehnen die Aufnahme geretteter Flüchtlinge vielfach ab. Sie fordern die Solidarität der übrigen EU-Staaten bei der Verteilung der Flüchtlinge ein. Alle Versuche, zu einer gleichmässigeren Verteilung innerhalb Europas zu gelangen, sind bisher gescheitert.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte am Dienstag nach Beratungen mit seinen EU-Kollegen, er habe «den Ehrgeiz», bei dem seit Jahren umstrittenen Thema «einen grossen Sprung» während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zu machen.