Fridays for Future protestiert in Corona-Krise erstmals virtuell für Klimaschutz
Tausende Protestplakate auf einer Wiese vor dem Reichstag, unzählige Tweets in den sozialen Netzwerken und Livestreams mit Aktivisten oder Prominenten: Wegen der Corona-Krise hat die Klimabewegung Fridays for Future am Freitag erstmals bundesweit einen virtuellen Netzstreik für mehr Klimaschutz organisiert.
Das Wichtigste in Kürze
- Symbolische Plakataktion am Reichstag und tausende Tweets in sozialen Netzwerken.
Auch Partnerorganisationen weltweit setzten auf die neue Protestform.
Begleitet wurden der digitale Streik der Bewegung von Forderungen nach einer Kopplung staatlicher Corona-Hilfen an Unternehmen an ökologische Kriterien und dem Aufruf, die Klimaerwärmung mit der gleichen grossen Entschlossenheit zu bekämpfen wie die Corona-Pandemie. Auch diese bedrohe die Zukunft der Welt, hiess es im deutschen Aufruf zu den Protesten, die Teil eines neuerlichen globalen Aktionstags für mehr Klima- und Umweltschutz waren.
Die höchst unterschiedliche Konsequenz im Umgang mit den beiden Problemen durch die Politik mache gerade sehr deutlich, dass der Klimawandel bislang noch «nicht wie eine Krise behandelt wird», sagte die führende Fridays-for-Future Aktivistin Luisa Neubauer am Freitag im offiziellen Livestream der Organisatoren. Es fehle der politische Wille, wie Klimaschützer schon länger bemängelten.
Statt darüber «zynisch zu werden», würden die Unterstützer von Fridays for Future derzeit indessen lieber «mit dem Notizblock» daneben stehen und sich aufschreiben, «was alles machbar ist», ergänzte Neubauer mit Blick auf die massiven Hilfsprogramme und staatlichen Interventionen zur Bewältigung der Corona-Krise. Dies werde künftig Forderungen nach vergleichbaren Anstrengungen zur Lösung «der Klima- und anderer Gerechtigkeitskrisen» untermauern.
Wegen der Infektionsgefahr und der bundesweit geltenden Kontakt- und Versammlungsverbote setzte die vor allem von jungen Leuten getragene Bewegung am Freitag auf neue digitale Protestformen. So waren die landesweit verstreuten Ortsgruppen sowie Unterstützer zuvor aufgerufen worden, Plakate symbolisch in ihrem persönlichen Umfeld aufzustellen und aktuelle Fotos davon ins Netz zu stellen.
Ausserdem platzierten die Aktivisten bei einer zentralen Aktion tausende zuvor eingesammelte Transparente aus ganz Deutschland vor dem Reichstag in Berlin, um die sonst üblichen Protestzüge zu ersetzen. Ähnliche kleinere Aktionen fanden auch anderswo statt, etwa vor dem Hamburger Rathaus. Bis Freitagmittag zählte Fridays for Future nach eigenen Angaben mehr als 27.000 Beiträge unter den relevanten Hashtags in den gängigen sozialen Netzwerken.
Viele tausend Zuschauer verfolgten ausserdem den Livestream zum Streik, in dem unter anderem Wissenschaftler sowie prominente Unterstützer wie der durch Fernsehauftritte bekannte Mediziner Eckart von Hirschhausen oder die Musiker Bosse, Clueso und Lena Meyer-Landrut. Die Zuschauerzahl erreichte zwischenzeitlich fast 20.000. Anfängliche technische Probleme nahmen die Organisatoren mit Selbstironie. Ihr Livestream laufe «immer noch besser als die Klimapolitik der grossen Koalition», blendeten sie stattdessen ein.
Auch die Umweltschutzbewegung Greenpeace beteiligte sich an dem Netzstreik. Sie projizierte vor dem Reichstag «schwebende Bilder» früherer Klimademonstrationen in die Luft. Die Corona-Pandemie sei derzeit «das vordringlichste Problem», erklärte Greenpeace in Hamburg. Doch zugleich müsse mit der Klimakrise «eine weitere Menschheitsaufgabe» gelöst werden. Die Bundesregierung müsse diese ebenso strikt angehen, auch mit «unbequemen Massnahmen».
Unterstützung kam von den Grünen und der Linken im Bundestag. Der Netzstreik helfe, «die Klimakrise wieder in die öffentliche Debatte zu rücken», erklärte die klimapolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Lisa Badum. Sie bekräftigte die Forderung ihrer Partei nach einem «Green Deal» im Rahmen der Wirtschaftshilfen in der Corona-Krise. Konjunkturhilfen müssten «massgeblich in ein klimaneutrales und sozial gerechtes Wirtschaftssystem fliessen».
Auch der klimapolitische Sprecher der Linksfraktion, Lorenz Gösta Beutin, forderte die Bundesregierung zu einer Kopplung von Hilfen für Konzerne mit einer «Öko-Klima-Prüfung» auf. Die Energiewende müsse beschleunigt werden. Auch dürfe es jetzt keine «klimaschädliche Corona-Kaufprämie für Autos» geben.