Heute vor hundert Jahren exekutierte Lenin die letzte Zarenfamilie
Das Wichtigste in Kürze
- Am 17. Juli 1918 wurde die russische Zarenfamilie Romanow in einem Kellerraum erschossen.
- Lenin hat die Exekution vor genau 100 Jahren befohlen.
- 2008 wurden die Romanows vom obersten russischen Gerichtshof zu Kommunismus-Opfern erklärt
17. Juli 1918. Schüsse donnern durch den kargen Kellerraum in Jekaterinenburg (RUS). Weil die Kugeln an den Miedern der Mädchen abprallen, greifen die Soldaten zum Bajonett und stechen zu. Nach 20 Minuten tritt eine gespenstische Stille ein: Die russische Zarenfamilie Romanow ist tot.
Auf den Tag genau 100 Jahre ist es her, dass Sowjetführer Lenin den letzten russischen Zaren Nicolas II zusammen mit seiner Frau Alexandra und ihren fünf Kindern exekutieren liess.
Revolution in Russland
Während 300 Jahren bestimmt die Dynastie der Romanows über die Geschicke Russlands. Der erste Krimkrieg (1853 bis 1856) hat die russische Position in Europa geschwächt. Die Bevölkerung hat Hunger. Die Industrialisierung bringt Wohlstand für zu wenige. Zar Nicolas II verschliesst, wie er es von seinen Vorvätern gelernt hat, die Ohren vor den Klagen des Volkes.
Dann kommt das Jahr 1905. Friedliche Demonstranten versuchen, sich endlich Gehör zu verschaffen. Sie werden von zaristischen Soldaten am Petersburger Blutsonntag brutal niedergeschossen. Jetzt tobt das Volk. Es ist Revolution. Dem Zar bleibt nichts anderes, als das Oktobermanifest zu unterschreiben – damit garantiert er seinen Untertanen mittels einer gewählten Volksvertretung, der Duma, politisches Mitspracherecht.
Der Erste Weltkrieg
Die Jahre vergehen, die revolutionären Kräfte werden schwächer. Am Hof verkehrt jetzt ein selbsternannter Heiler namens Rasputin. Er verspricht Heilung für den kränklichen Zarewitsch, den Thronfolger.
Dann wird in Sarajevo (BIH) der österreichisch-ungarische Thronfolger Franz Ferdinand ermordet. Der Erste Weltkrieg bricht über Europa herein. Er bringt Hunger, Patriotismus und militärische Misserfolge nach Russland.
Arbeiten Rasputin und die deutschstämmige Zarin tatsächlich für Russland? Sind nicht vielmehr sie Schuld an der misslichen Situation des Landes? Angetrieben von Hunger, Angst und Wut flammt die Revolution im Februar 1917 erneut auf. Sie bringt Blutvergiessen in den Strassen, die Abdankung des Zaren und einen neuen Führer nach Russland: Lenin ist aus seinem Zürcher Exil nach Petrograd (St. Petersburg) zurückgekehrt und übernimmt mit seinen radikal kommunistischen Bolschewiki die Führung.
Monarchie hinter Gittern
Die Zarenfamilie wird erst in ihrem Palast gefangen gehalten. Hier nähen die Zarentöchter und ihre Bediensteten sich Schmuck in ihre Mieder – Weggeld für eine allfällige Flucht. Es sind diese «Vorräte», an denen später die Kugeln der Soldaten abprallen werden.
Ausserhalb der Palastmauern wird die Zarenfamilie zur Projektionsfläche des gesamten russischen Leides. Viele Bolschewiki sähen sie lieber tot, als im komfortablen Palast. Auch zu ihrer eigenen Sicherheit wird die Familie ins sibirische Exil gebracht.
Derweilen wird Moskau zum Zentrum Sowjetrusslands. Hier soll der Zar in einem Schauprozess für seine Verbrechen am russischen Volk büssen. Die gesamte Zarenfamilie macht sich via Jekaterinenburg auf den Weg in die neue Hauptstadt. Während Leo Trotzki die Anklage vorbereitet, kommt Lenin ein Gedanke: Was, wenn der Zar freigesprochen wird? Die Revolution würde ihren wichtigsten Grund verlieren.
Mord mitten in der Nacht
Im Keller sei es sicherer, erklären die Soldaten den Romanows. Zar Nicolas II, Zarin Alexandra, die Töchter Marie, Tatjana, Olga und Anastasia und der jüngste, Zarewitsch Alexei steigen gefolgt von Anastasias Hündchen die Treppe herunter.
Moskau verlange ein Foto, die Familie solle sich in zwei Reihen vor einer weissen Wand aufstellen, befehlen die Soldaten. Doch statt eines Fotografen, marschiert nun das Exekutionskommando herein. Der bolschewistische Kommandant Jakow Jurowski eröffnet der Familie, dass ihre Hinrichtung beschlossene Sache sei.
«Was?», kann der Zar noch fragen, dann trifft ihn die erste Kugel aus Jurowskis Pistole tödlich. Nun erheben auch die Soldaten ihre Waffen und schiessen auf die restlichen Familienmitglieder.
Vertuschen und Rehabilitieren
Nachdem die Romanows in einem Wald verscharrt worden waren, informierte Lenin die Bevölkerung über den Tod des ehemaligen Zaren. Frau und Kinder allerdings seien in Sicherheit gebracht worden.
90 Jahre nach Lenins Lüge, wurde die Familie Romanow vom obersten russischen Gerichtshof rehabilitiert und zu Opfern der kommunistischen Ära erklärt.