Jeder sechste Teilnehmer eines Integrationskurses ist Analphabet
Jeder sechste Teilnehmer eines Integrationskurses in Deutschland kann nicht lesen und schreiben.
Das Wichtigste in Kürze
- Behördenchef sieht Problem für Integration in Arbeitsmarkt.
Bei diesen Analphabeten handle es sich vorwiegend um Geflüchtete, sagte der Chef des Flüchtlingsbundesamts Bamf, Hans-Eckhard Sommer, der in Düsseldorf erscheinenden «Rheinischen Post» (Samstagsausgabe). Für die Integration in den Arbeitsmarkt stelle dies ein Problem dar: «Aus dem Kreis der geflüchteten Menschen sind derzeit noch 450.000 arbeitssuchend gemeldet.»
Das Bundesamt sei sich «immer bewusst» gewesen, «dass über den Fluchtweg nur wenige Fachkräfte ankommen», sagte Sommer. «Rund 17 Prozent der Teilnehmenden unserer Integrationskurse sind Analphabeten.»
Deren Motivation, etwas zu lernen, schätzt der Behördenchef als hoch ein: «Besonders die Menschen in den Alphabetisierungskursen nehmen wir als sehr engagiert wahr.» Von denen, die zuvor nicht lesen und schreiben konnten, schafften 13 Prozent das Sprachniveau B1, was sechs Jahren Schulunterricht in einer Fremdsprache entspreche.
Was die Anwerbung dringend benötigter Fachkräfte im Ausland angeht, plädierte Sommer für einen Konzentration auf europäische Länder. In Südeuropa etwa gebe es viele arbeitslose, gut ausgebildete junge Leute. «Diese als Arbeitskräfte für Deutschland zu gewinnen, wäre unter dem Aspekt der Integration wesentlich einfacher», argumentierte Sommer.
Innerhalb der EU gebe es auch keine rechtlichen Hindernisse, in einem anderen EU-Land zu arbeiten. Der Bamf-Chef begrüsste, dass die Fachkräftestrategie der Bundesregierung dort ansetze. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll am 1. März in Kraft treten.
Der Bamf-Chef warnte zugleich davor, in grossem Stil Fachkräfte aus Entwicklungsländern anzuwerben. «Ich halte es für problematisch, wenn wir zum Beispiel gut ausgebildete Personen aus gering entwickelten Staaten in grösserer Zahl nach Deutschland holen», sagte Sommer. Das habe die Folge, dass die Entwicklung für deren Heimatländer umso schwieriger werde.
Sommer forderte, «viel mehr Ausbildung und Arbeitsplätze in diesen Ländern» zu schaffen. «Wenn wir die Entwicklung dieser Staaten nicht fördern oder gar behindern, laufen wir Gefahr, uns die nächsten Flüchtlinge selbst zu schaffen.»
Der Behördenchef äusserte sich in dem Interview auch zu den anhaltenden Problemen, die Identität von Flüchtlingen festzustellen, die nach Deutschland kommen. «Nur etwa 45 Prozent der Asylsuchenden haben Ausweispapiere dabei», sagte er. Bei den übrigen Schutzsuchenden seien die Behörden auf deren Angaben angewiesen.
Sicherstellen lasse sich inzwischen, dass sich im Asylverfahren niemand mehr mehrere Identitäten zulegen könne. So würden die Angaben mit verschiedenen IT-Verfahren, beispielsweise Spracherkennung oder Auslesen von Handy-Daten überprüft.
In 37 Prozent der Fälle bestätigten die Handy-Daten die Angaben der Asylbewerber, erklärte Sommer. Bei zwei Prozent könnten die Aussagen durch die Daten widerlegt werden. «In 61 Prozent der Fälle kommen wir nicht an zusätzliche Erkenntnisse.»