Druck auf Boris Johnson nach Streit mit Lebensgefährtin wächst
Nach einem lautstarken Streit zwischen Boris Johnson und seiner Lebensgefährtin wächst der Druck auf den britischen Ex-Aussenminister.
Das Wichtigste in Kürze
- Tory-Mitglieder kritisieren Johnsons Schweigen zu dem Vorfall.
Hochrangige Tory-Mitglieder kritisierten am Wochenende Johnsons Schweigen zu der Auseinandersetzung, die am Samstag die Titelseiten der britischen Zeitungen beherrschte. Johnson gilt als Favorit im Rennen um die Nachfolge von Premierministerin Theresa May - jüngste Umfragen zeigen jedoch, dass die Unterstützung für ihn abgenommen hat.
Ein heftiger Streit mit seiner Lebensgefährtin Carrie Symonds rief Medienberichten zufolge in der Nacht zum Freitag die Polizei auf den Plan. Wie der «Guardian» berichtete, alarmierte ein besorgter Nachbar die Polizei, nachdem in der Wohnung im Süden Londons Schreie und Türenknallen zu hören waren.
Johnson versuchte am Samstag bei einem Auftritt vor der Parteibasis in Birmingham, das Gespräch von seinem Privatleben auf die Politik zu lenken. «Ich glaube nicht, dass die Leute von solchen Dingen hören wollen», sagte Johnson in Birmingham, wo er sich neben seinem Kontrahenten, dem amtierenden Aussenminister Jeremy Hunt, den Mitgliedern der konservativen Tory-Partei präsentierte.
Er stellte lieber seine Sicht auf den EU-Austritt Grossbritanniens heraus. «Wir müssen den Brexit schaffen», sagte er und versprach, Grossbritannien auf einen «No Deal»-Brexit vorzubereiten, falls mit der EU keine Einigung erzielt werde.
Der ehemalige britische Aussenminister Malcolm Rifkind kritisierte Johnsons Schweigen zu dem Vorfall. «Tatsache ist, dass es einen Polizeibesuch gab. Da sagt man nicht einfach, 'Kein Kommentar'», sagte der konservative Politiker dem Sender BBC Radio 5.
Auch der britische Staatsminister für Europa, Alan Duncan, sah Johnsons Reaktion kritisch. Der Ex-Aussenminister habe jetzt ein «grosses Fragezeichen über dem Kopf», sagte Duncan der Zeitung «The Guardian». Er fügte hinzu, Johnson habe während seiner gesamten Karriere einen «Mangel an Disziplin» gezeigt.
Auch Hunt sieht seinen Kontrahenten in der Pflicht, sich zu dem Vorfall zu äussern. «Jemand, der Premierminister werden will, sollte Fragen zu allem beantworten», sagte er dem Sender «Sky News» am Sonntag. Handelsminister Liam Fox, ein Unterstützer Hunts, sagte dem Sender BBC 1, «ich denke, es ist immer leichter, einfach eine Erklärung abzugeben».
Das letzte Wort haben jedoch die 160.000 Parteimitglieder, und deren Unterstützung für Johnson schien auch bei der ersten Wahlveranstaltung der beiden verbliebenen Kandidaten in Birmingham ungebrochen. Johnsons Auftritt wurde mit grossem Applaus quittiert. Als der Moderator dem Londoner Ex-Bürgermeister Fragen über den häuslichen Zwischenfall stellte, reagierte die Menge mit lauten Zwischenrufen.
Hunt wurde in Birmingham ebenfalls ein herzlicher Empfang bereitet. Er versprach, falls es mit der EU zu keiner Einigung über den Brexit komme, werde der Austritt «ohne Deal» erfolgen.
In einer Umfrage unter britischen Wählern für die Zeitung «Mail on Sunday» überholte Hunt seinen Widersacher Johnson, der sieben Prozentpunkte verlor. Auch bei den Tory-Wählern sank Johnsons Vorsprung gegenüber Hunt von 27 Prozent auf neun Prozent. Ende Juli soll der Name des neuen Tory-Chefs voraussichtlich bekanntgegeben werden. Er wird dann auch automatisch Regierungschef.
Ein Video, das die Zeitung «The Observer» veröffentlichte, könnte Johnson zusätzlich unter Druck setzen. Darin behauptet der ehemalige Chefstratege von US-Präsident Donald Trump, Steve Bannon, er habe im vergangenen Jahr an Johnsons Rücktrittsrede als Aussenminister mitgewirkt.
Johnson und der US-Rechtsaussen-Ideologe lernten sich kennen, als beide im Amt waren, und sollen sich im vergangenen Sommer inoffiziell wieder getroffen haben. Johnson sagte damals, seine «sogenannte Beziehung» zu Bannon sei eine «Wahnvorstellung der Linken».