Kritik an Manöver von Belarus und Russland mitten im Ukraine-Krieg
Das Wichtigste in Kürze
- Im Westen wird befürchtet, dass Russland im Zuge des Manövers einen Einmarsch in die Ukraine vorbereitet.
Die britische Aussenministerin Liz Truss warf Moskau eine «Kalter-Krieg-Rhetorik» vor und rief zu ernsthaften Verhandlungen auf.
«Frieden und Stabilität» in Europa seien gefährdet, warnte Truss in Moskau bei einer Pressekonferenz mit ihrem Kollegen Sergej Lawrow. «Noch ist Zeit für Russland, seine Aggression gegen die Ukraine zu beenden und den Pfad der Diplomatie einzuschlagen.» Lawrow zeigte sich sichtlich verärgert von dem Auftreten seiner Kollegin. So kritisierte er etwa die britische Forderung, Russland solle Truppen von seinem eigenen Gebiet an der Grenze zur Ukraine abziehen.
Zudem warf Lawrow dem Westen vor, er wolle Russland «betrügen», denn die Sicherheit eines Landes könne nicht auf Kosten eines anderen gewährleistet werden. Moskau fordert verbindliche Zusicherungen etwa über ein Ende der Nato-Osterweiterung. Das westliche Militärbündnis, in dem auch Grossbritannien Mitglied ist, beruft sich hingegen auf die freie Bündniswahl von Staaten.
Kurz vor der Begegnung der beiden Aussenminister begannen im Nachbarland Belarus die zehntägigen, grossangelegten Manöver. Sie werden nach Angaben beider Seiten etwa im Süden der Ex-Sowjetrepublik unweit zur Ukraine und im Westen an der EU-Aussengrenze abgehalten. Moskau veröffentlichte ein Video, das Panzer mit Tannenzweigen zur Tarnung zeigte. Zu sehen und zu hören war, wie geschossen wurde.
Russland hatte in den vergangenen Wochen schweres Militärgerät nach Belarus verlegt - darunter Luftabwehrsysteme vom Typ S-400. Zudem wurden laut Angaben aus Moskau Kampfflugzeuge des Typs Suchoi Su-25SM über 7000 Kilometer aus dem Osten Russlands am Pazifik in das Gebiet von Brest nahe der polnischen Grenze gebracht.
Die Militärführungen in Belarus und Russland hatten immer wieder betont, die Truppenverlegung im Zuge des Manövers habe reinen Übungscharakter, sei für niemanden eine Bedrohung und stehe im Einklang mit internationalem Recht. Laut Kreml sollen die russischen Soldaten nach Ende der Übung wieder zu ihren Standorten zurückkehren.
Angesichts des Aufmarschs Zehntausender russischer Soldaten in der Nähe der Ukraine wird befürchtet, dass der Kreml eine Invasion plant. Moskau bestreitet das. Für möglich wird auch gehalten, dass die russische Seite Ängste schüren will, um die Nato zu Zugeständnissen bei Forderungen nach neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen.
Frankreichs Aussenminister Jean-Yves Le Drian bezeichnete die «extrem massiven» Manöver inmitten der Ukraine-Krise bei dem Sender France Inter als «Geste grosser Gewalt», die die französische Regierung beunruhige. «Jedes Land hat natürlich das Recht, Militärmanöver zu organisieren, aber hier gibt es eine sehr bedeutende Anhäufung von Übungen an der Grenze zur Ukraine», sagte der Minister.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg fand ebenfalls deutliche Worte. «Dies ist ein gefährlicher Moment für die europäische Sicherheit», sagte er bei einer Pressekonferenz mit dem britischen Premierminister Boris Johnson in Brüssel. Zugleich drängte Stoltenberg Russland zu weiteren Gesprächen im Nato-Russland-Rat. Er habe einen Brief an Lawrow geschickt und die Einladung zur Fortsetzung des Dialogs bekräftigt. Es gehe darum, auf dem diplomatischen Weg voranzukommen.
Parallel zu dem Manöver in Belarus liess Russland Kriegsschiffe im Schwarzen Meer üben. Das Aussenministerium in Kiew protestierte gegen die Sperrung von grossen Seegebieten um die von Russland annektierte Halbinsel Krim. Die Schifffahrt im Asowschen und im Schwarzen Meer würde praktisch unmöglich gemacht. Medienberichten zufolge gelten die Sperrungen unter anderem unmittelbar bei der Meerenge von Kertsch vom 13. bis 19. Februar. Der Kreml wies Vorwürfe zurück, dass es eine Einschränkung für Handelsschiffe gebe.
Im Mittelmeer hält indes die französische Marine mit dem Flugzeugträger «Charles de Gaulle» und weiteren Einheiten noch bis April eine Übung ab. Ziel ist laut Angaben aus Paris der Kampf gegen Strukturen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Nahen Osten.
In Berlin sollten am Nachmittag die Vermittlungsbemühungen fortgesetzt werden. Die politischen Berater Russlands und der Ukraine wollten sich zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit unter Vermittlung Deutschlands und Frankreichs wieder an einen Tisch setzen.
Zudem wollte Kanzler Olaf Scholz am Abend den litauischen Präsidenten Gitanas Nausėda, die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas und den lettischen Ministerpräsidenten Krišjānis Kariņš empfangen. Kallas hatte sich vor dem Treffen dafür ausgesprochen, die Ukraine mit Waffen zur Verteidigung gegen Russland zu versorgen. Berlin hat mehrfach Waffenlieferungen an Kiew zurückgewiesen.