Legendärer britischer Parlamentspräsident tritt ab
Seine Rolle katapultierte ihn ins Zentrum der Brexit-Schlacht und verschaffte ihm Fans wie Kritiker gleichermassen: Am Donnerstag ist der britische Parlamentspräsident John Bercow nach zehn Jahren in dem Amt abgetreten.
Das Wichtigste in Kürze
- Bercow rief mehr als 14.000 Mal «Order!».
Legendär waren vor allem seine durchdringenden «Order»-Rufe, mit denen er die Abgeordneten zur Ruhe ermahnte - und die während seiner Amtszeit als 157. Parlamentspräsident mehr als 14.000 Mal durch das Londoner Unterhaus hallten.
Mit seiner lebhaften und wortgewaltigen Art und seinem eigenwilligen Stil stand Bercow mehr als drei Jahre lang im Zentrum der teils emotional geführten Parlamentsdebatten rund um den Brexit. Seine Kritiker, meist Brexit-Befürworter, sahen in ihm einen Wichtigtuer. Seine Anhänger, meist Brexit-Gegner, hielten ihm hingegen zugute, dass er die Rechte des Parlaments gegenüber der Regierung gestärkt habe.
Fans eroberte der Parlamentspräsident auch auf dem europäischen Festland: Bercow sei «unersetzlich», schrieb eine belgische Zeitung. Das niederländische Blatt «De Volkskrant» schrieb: «Die einzige Ordnung in der britischen Politik kommt in diesen turbulenten Tagen aus dem Mund von John Bercow.»
Auch die Chefs der grössten britischen Parteien zollten dem 56-Jährigen zum Schluss Respekt: Trotz Meinungsverschiedenheiten habe Bercow dem Parlament einen grossen Dienst erwiesen, sagte Premierminister Boris Johnson. Der Tennis-Fan Bercow habe wie eine «unkontrollierbare Tennisball-Maschine jeden Teil der Kammer mit seinen Ansichten zugeballert und dabei eine Reihe schier unspielbarer und nicht zu schlagender Volleys und Schmetterbälle geliefert».
Labour-Chef Jeremy Corbyn sagte, Bercow habe das Unterhaus und die Demokratie gestärkt.
Bei der Parlamentswahl am 12. Dezember tritt Bercow nicht mehr an. Sein Nachfolger soll am Montag benannt werden. Neun Kandidaten treten an, darunter seine drei Stellvertreter. Als Favorit gilt Vize-Parlamentspräsident Lindsay Hoyle.