May bittet EU vor Brexit-Abstimmung eindringlich um Entgegenkommen
Kurz vor der Abstimmung des britischen Unterhauses über den Brexit-Vertrag hat die innenpolitisch unter Druck stehende britische Premierministerin Theresa May die EU um Zugeständnisse gebeten.
Das Wichtigste in Kürze
- EU-Verhandlungsführer Barnier bietet Rückkehr zu bereits abgelehnter Lösung an.
Werde das Abkommen zum zweiten Mal abgelehnt, sei «nichts sicher» und es drohe «ein Moment der Krise», sagte May am Freitag. Aus Brüssel kam daraufhin ein Vorschlag zur umstrittenen Nordirland-Frage, den May bereits in der Vergangenheit abgelehnt hatte.
Das britische Unterhaus hatte den mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag im Januar mit grosser Mehrheit abgelehnt. May will das Abkommen am kommenden Dienstag erneut im Parlament zur Abstimmung stellen - nur gut zwei Wochen vor dem Brexit-Datum am 29. März.
May rief die EU am Freitag in einer Rede vor Arbeitern in der Hafenstadt Grimsby dazu auf, die Bedenken des britischen Parlaments gegen die Auffanglösung für Nordirland aus dem Weg zu räumen. Brüssel müsse nun handeln, «damit die Abgeordneten das Abkommen am Dienstag unterstützen», sagte sie.
Sowohl die EU als auch Grossbritannien wollen verhindern, dass nach dem Brexit eine «harte Grenze» mit Kontrollen zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland entsteht. Hintergrund ist die Befürchtung, dass ansonsten der blutige Nordirland-Konflikt wieder aufflammen könnte.
Nach den bisherigen Vereinbarungen zwischen London und Brüssel würde das Vereinigte Königreich ohne andere Lösung bis auf weiteres in einer Zollunion mit der EU bleiben. Brexit-Befürworter befürchten jedoch, dass Grossbritannien durch den sogenannten Backstop dauerhaft an die EU gebunden bliebe und keine eigenen Handelsabkommen abschliessen könnte.
Die EU gebe London «die Option zu einem einseitigen Austritt» aus der Zollunion, schrieb EU-Chefunterhändler Michel Barnier im Kurzbotschaftendienst Twitter. Die anderen Elemente des Backstops müssten aber «beibehalten werden, um eine harte Grenze zu verhindern».
Barnier kam damit auf einen alten EU-Vorschlag zurück. Dieser sieht vor, dass nur Nordirland in einer Zollunion bleibt und nicht das gesamte Vereinigte Königreich, wie ein EU-Diplomat erläuterte. May hatte das in der Vergangenheit abgelehnt, weil dann Grenzkontrollen zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs in der irischen See nötig wären.
Barniers Vorschlag bedeute, dass es «jetzt keine Grenze in der irischen See geben» werde, hiess es aus EU-Kreisen. «Eine künftige britische Regierung kann aber entscheiden, dass es sie gibt.» Klar sei gleichzeitig weiter, dass der mit der EU ausgehandelte Austrittsvertrag «nicht verändert» werde.
Der britische Brexit-Minister Stephen Barclay kritisierte das Vorgehen Barniers. Kurz vor Fristende sei es «nicht die Zeit, noch einmal alte Argumente aufzugreifen», schrieb er auf Twitter. Nötig sei nun «eine ausgewogene Lösung, die für beide Seiten funktioniert».
Als interessanter für die eigentlichen Brexit-Gespräche bewerteten EU-Diplomaten eine andere Zusage Barniers. Sie bezieht sich darauf, wie bisherige Zusicherungen der EU mit Blick auf die Nordirland-Auffanglösung rechtsverbindlicher gemacht werden können.
Laut dem Brüsseler Verhandlungsführer soll ein Brief von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk «Rechtskraft» erhalten, indem eine «gemeinsame Interpretationserklärung» erstellt wird. Zum Schluss fügte Barnier an, die EU werde nun «intensiv» weiter mit London arbeiten, «damit das Vereinigte Königreich die EU mit einer Vereinbarung verlässt».