May hofft auf Brexit-Kompromiss mit Oppositionsführer Corbyn
Die britische Premierministerin Theresa May sucht jetzt zusammen mit Oppositionsführer Jeremy Corbyn nach einem Ausweg aus der Brexit-Sackgasse.
Das Wichtigste in Kürze
- Premierministerin trifft Labour-Chef - Zwei Staatssekretär treten zurück.
May und Corbyn trafen sich am Mittwoch zu einem ersten Gespräch, um einen chaotischen EU-Austritt ohne Abkommen am 12. April zu verhindern. Beide Seiten nannten das Treffen danach «konstruktiv». Damit scheint nun eine Brexit-Variante wahrscheinlich, bei der Grossbritannien zumindest wirtschaftlich eng an die EU gebunden bleibt. Aus Protest traten zwei Staatssekretäre zurück.
May hatte am Dienstagabend überraschend einen Schritt auf Corbyn zu gemacht, nachdem sich im Parlament zuvor keine Mehrheit für das von ihr ausgehandelte Austrittsabkommen, aber auch für keine andere Brexit-Variante gefunden hatte. Sie wolle mit dem Oppositionschef nach einem gemeinsamen Plan suchen, um die EU auf «geordnetem Weg» verlassen zu können, sagte May. Corbyn erklärte, er sei «sehr gerne» dazu bereit.
Zugleich kündigte die Premierministerin an, eine erneute Fristverlängerung bei der EU zu beantragen. Durch einen «kurzen» Aufschub solle das Parlament die Zeit bekommen, doch noch ein Abkommen zu beschliessen.
Ein Regierungssprecher sagte, das Treffen mit Corbyn sei «konstruktiv» gewesen. Beide Seiten hätten sich flexibel und engagiert gezeigt, «die Brexit-Unsicherheit zu einem Ende zu bringen». Ein Labour-Sprecher sprach von «konstruktiven Sondierungsgesprächen, um aus der Brexit-Sackgasse herauszukommen». Auf der Grundlage eines vereinbarten Arbeitsprogramms soll in den kommenden Tagen weiter verhandelt werden.
Corbyn ist für viele Politiker der konservativen Regierungspartei ein rotes Tuch. Er gehört zum linken Labour-Flügel und wurde 2015 mit sozialistischen Positionen ins Amt des Parteichefs gewählt.
May hatte vor ihrem Treffen mit Corbyn gesagt, sie stimme mit dem Oppositionsführer beim Brexit «in etlichen Bereichen» überein. Es gehe darum, eine Lösung zu finden, für die es eine Mehrheit im Unterhaus gebe. Den Verbleib in einer Zollunion mit der EU schloss May ausdrücklich nicht aus.
Eine Zollunion ist eine Kernforderung von Labour. Auch bei einer Unterhaus-Abstimmung über Brexit-Alternativen am Montag war die Zollunion unter den Varianten mit den meisten Unterstützern.
May hatte solche Forderungen bisher abgelehnt. Entsprechend empört reagierten zahlreiche Tories nun auf ihre Gespräche mit Labour. Der Staatssekretär für Wales, Nigel Adams, und der Brexit-Staatssekretär Chris Heaton-Harris erklärten am Mittwoch ihren Rücktritt.
Adams bezeichnete Mays Kehrtwende als «schweren Fehler». Es sei klar, dass Grossbritannien nun «in der Zollunion enden» werde. Heaton-Harris erklärte, er könne eine weitere Brexit-Verschiebung «einfach nicht unterstützten.» May wolle die EU offensichtlich nicht ohne Abkommen verlassen, fügte der Parlamentarische Staatssekretär hinzu, der unter Brexit-Minister Stephen Barclay für die Vorbereitungen auf einen ungeordneten Brexit zuständig war. Diese Haltung mache seinen Job in der Regierung überflüssig.
Barclay erklärte, falls es nicht zu einer Einigung mit Corbyn komme, wolle die Regierung in den kommenden Tagen wieder das Parlament über Brexit-Alternativen abstimmen lassen. Diese Abstimmungen seien für die Regierung dann «bindend», sagte Barclay. May werde akzeptieren, «wofür das Parlament gestimmt hat».
Am Mittwochabend sollte das Parlament noch über eine Vorlage abstimmen, die May bei einem drohenden No-Deal-Brexit per Gesetz dazu zwingen würde, bei der EU eine weitere Verschiebung zu beantragen.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnten erneut einen geordneten Brexit an. Merkel sagte, sie werde «bis zur letzten Stunde» für einen Brexit mit Abkommen kämpfen. Auch Juncker betonte in Brüssel, er werde «bis zum letzten Augenblick» dafür kämpfen.
Der britische Notenbank-Chef Mark Carney hält allerdings einen Chaos-Brexit für wahrscheinlich. Das Risiko sei «beunruhigend hoch», sagte Carney im Sender Sky News. Die Behauptung der Brexit-Hardliner, die wirtschaftlichen Folgen abfedern zu können, sei «absoluter Blödsinn».