Merkel kritisiert Corona-Lockerungen der Länder als «zu forsch»

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Deutschland,

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat vor dem Bundestag eindringlich vor einem Rückschlag im Kampf gegen die Corona-Pandemie gewarnt.

Merkel im Bundestag
Merkel im Bundestag - AFP/Archiv

Das Wichtigste in Kürze

  • Kanzlerin warnt vor Rückschlägen - Opposition kritisiert Krisenmanagement.

Offene Kritik übte die Kanzlerin in ihrer Regierungserklärung an der Umsetzung der ersten Lockerungen durch die Bundesländer: Diese sei «in Teilen sehr forsch, um nicht zu sagen zu forsch». Abermals rief sie zu Geduld und Disziplin auf: «Lassen Sie uns jetzt das Erreichte nicht verspielen und einen Rückschlag riskieren.»

Die Opposition kritisierte das Krisenmanagement von Merkels Regierung. FDP und AfD forderten in der Debatte, die Einschränkung der Grundrechte so bald wie möglich zurückzunehmen. Linke und Grüne hingegen mahnten weitere Vorsicht an.

Die Warnung vor wachsender Sorglosigkeit und einem neuerlichen Ansteigen der Infektionszahlen durchzog Merkels Rede wie ein roter Faden, stellenweise hatte die Regierungserklärung den Charakter eines Durchhalteappells. Die Pandemie stehe erst am Anfang und werde das Leben der Bürger noch lange beeinträchtigen - «niemand hört das gerne, aber es ist die Wahrheit», sagte die Kanzlerin.

Zwar sei es ein «Zwischenerfolg», dass die Ausbreitung des Virus verlangsamt worden sei. Sie sehe sich aber «verpflichtet zu sagen, dieser Zwischenerfolg ist zerbrechlich, wir bewegen uns auf dünnstem Eis». Bislang halte das Gesundheitssystem «der Bewährungsprobe stand», sagte Merkel. Vorbei sei die Pandemie aber wohl erst, wenn es einen Impfstoff gegen das Virus gebe.

Ungewöhnlich deutlich distanzierte sich die Kanzlerin von der Politik einiger Bundesländer. Es bereite ihr «Sorge», wie manche Länder die in der vergangenen Woche gemeinsam beschlossenen ersten Lockerungen umsetzten. Es sei falsch, dabei «auf das Prinzip Hoffnung» zu setzen. Welche Bundesländer sie meinte, sagte Merkel nicht.

Merkel ging in ihrer Rede auf den Vorwurf von Kritikern ein, sie gehe mit der Beschränkung von Freiheitsrechten zu weit. «Diese Pandemie ist eine demokratische Zumutung, denn sie schränkt genau das ein, was unsere existenziellen Rechte und Bedürfnisse sind.» Die Einschränkungen seien aber weiterhin nötig, um Menschenleben zu retten. Kritik und Widerspruch seien dabei erlaubt und müssten angehört werden.

Ihre Forderungen unterstrich die Kanzlerin mit historischen Analogien: Deutschland stehe vor einer "Bewährungsprobe, wie sie es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gab". Es seien "ganz und gar aussergewöhnlich ernste Zeiten, die Herausforderungen seien "gigantisch".

Auf Merkels Rede folgte eine lebhafte Debatte der Abgeordneten, wobei sich die FDP und die AfD mit besonders scharfer Kritik hervortaten. Weil die Zweifel an den eingeleiteten Massnahmen «gewachsen sind, endet heute auch die grosse Einmütigkeit in der Frage des Krisenmanagements», sagte FDP-Chef Christian Lindner.

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland warf Merkel eine «Basta-Mentalität» vor. Die weit überwiegende Mehrheit der Menschen halte sich an die Auflagen, deswegen sei es an der Zeit, «die Beschränkungen der Grundrechte zu lockern».

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch warf der Regierung ein «Kommunikations-Wirrwarr» vor, «das am Ende die Akzeptanz für die Massnahmen massiv verringern könnte». Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte die Informationspolitik, er schloss sich aber Merkels Warnung vor zu schnellen Lockerungen an - «sonst gefährden wir alles, was wir bislang erreicht haben».

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zeigte Verständnis für die Kritik an der Einschränkung von Grundrechten - dies seien «berechtigte Fragen». Er mahnte eine starke Rolle des Parlaments an, um nötigenfalls «Korrekturen» vorzunehmen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nahm die Debatte zum Anlass, die Notwendigkeit einer besseren medizinischen Versorgung auch auf dem Land zu betonen.

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