Merkel: «Seenotrettung ist ein Gebot der Humanität»
Das Wichtigste in Kürze
- Von der Leyen für Reform von Dublin-Regeln zum Umgang mit Asylbewerbern.
«Die Seenotrettung ist für uns nicht nur Verpflichtung, sondern sie ist ein Gebot der Humanität», sagte Merkel am Freitag in Berlin. Dabei könne nicht für jedes Schiff «ad hoc eine Einzellösung» gefunden werden. Merkel teilte die Kritik der künftigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am sogenannten Dublin-System und unterstützte deren Forderung nach einer Reform.
Von der Leyen sprach sich für eine Reform der Dublin-Regeln zum Umgang mit Asylbewerbern aus. «Wir müssen Dublin reformieren, um mehr Fairness und Lastenverteilung zu erreichen», sagte die CDU-Politikerin der «Bild»-Zeitung (Freitagsausgabe). Das Dublin-System sieht vor, dass Flüchtlinge ihren Asylantrag jeweils in dem EU-Land stellen müssen, in dem sie als erstes europäischen Boden betreten.
«Ich habe nie wirklich verstanden, warum Dublin mit der einfachen Gleichung begann: Wo ein Migrant zuerst europäischen Boden betritt, muss er oder sie bleiben», sagte von der Leyen. «Wir können nur dann stabile Aussengrenzen haben, wenn wir den Mitgliedstaaten, die aufgrund ihrer Position auf der Karte dem grössten Druck ausgesetzt sind, genügend Hilfe leisten.»
Auch im «Spiegel» plädierte von der Leyen für «einen neuen Start in der Flüchtlingspolitik». Dafür wolle sie in der EU «Mehrheiten finden». Als «Instrumente» nannte sie mehr Beamte für die Grenzschutzagentur Frontex, mehr Hilfe für Afrika und die Verteilung der Flüchtlinge unter den EU-Staaten.
Die deutsche Kapitänin Carola Rackete, die nach einem Rettungseinsatz im Mittelmeer in Italien festgenommen worden war und dazu am Donnerstag von der Staatsanwaltschaft auf Sizilien angehört wurde, reiste unterdessen zu einem nicht genannten Ort in Deutschland aus. Die Ausreise Racketes könne bestätigt werden, wegen «Sicherheitsbedenken» seien jedoch «keine Angaben zu Zielort und Datum» möglich, erklärte die deutsche Hilfsorganisation Sea-Watch.
Rackete war am 29. Juni festgenommen worden, nachdem sie ihr Schiff «Sea-Watch 3» mit 40 Flüchtlingen an Bord in den Hafen von Lampedusa gesteuert hatte, obwohl Italiens rechtsradikaler Innenminister Matteo Salvini das Anlegen jeglicher Rettungsschiffe aus dem Mittelmeer in italienischen Häfen verboten hatte.
Dabei stiess die «Sea-Watch 3» gegen ein Schnellboot der Küstenwache, welches das Schiff am Anlegen hindern wollte. Rackete begründete ihr Vorgehen mit der verzweifelten Lage der Menschen an Bord, nachdem sich über zwei Wochen lang kein Hafen zur Aufnahme der «Sea-Watch 3» bereiterklärt hatte.
Die Werteunion, der konservative Flügel der CDU/CSU, forderte eine «vollständige Abriegelung der Mittelmeerroute» gegen Flüchtlinge. Eine solche Abriegelung nach australischem Vorbild sei «die einzige praktisch umsetzbare und zielführende Möglichkeit», erklärte die Werteunion. Sie forderte die Bundesregierung auf, «schnellstmöglich und gemeinsam mit europäischen Partnern wie Österreich und Italien geeignete Massnahmen hierfür zu finden».
Die Werteunion ist eine Gruppierung konservativer Christdemokraten. Sie zählt nicht zu den offiziellen Parteigliederungen. Ihr Vorsitzender Alexander Mitsch erklärte, Seenotrettung dürfe «kein Vorwand zur Förderung illegaler Migration sein». Mit Blick auf die zivilen Seenotretter fügte er hinzu: «Auch wenn sie vermeintlich hehre Ziele verfolgen, sind Seenotretter, deren vorrangiges Ziel der Transport von Migranten nach Europa ist, de facto Schlepperhelfer.»
Zwei Drittel der Bundesbürger finden es prinzipiell gut, dass sich private Organisationen im Mittelmeer in der Seenotrettung engagieren. Im ZDF-«Politbarometer» vertraten 67 Prozent diese Ansicht, während 30 Prozent die private Seenotrettung nicht gut finden. Gleichzeitig halten aber 61 Prozent den Vorwurf für richtig, dass sich mehr Flüchtlinge auf den unsicheren Weg übers Mittelmeer begeben, weil sie auf Seenotrettung hoffen.
Wenn Deutschland einen grossen Teil der Flüchtlinge aufnehmen würde, der zur Zeit übers Mittelmeer nach Italien kommt, fänden das 47 Prozent gut und 46 Prozent lehnen das ab.