Nationalrat gegen Verbot von Ausschaffungshaft für Minderjährige
Der Nationalrat hat sich gegen einen Vorstoss entschieden, der verbieten sollte, dass Minderjährige in Ausschaffungshaft sitzen müssen.
Das Wichtigste in Kürze
- Auch weiterhin werden Minderjährige in Ausschaffungshaft sitzen müssen.
- Ein SVPler meinte, es handle sich schliesslich nur um wenige Fälle pro Jahr.
- Die Grünen waren der Ansicht, die Haft könne für Jugendliche traumatisierend sein.
In der Schweiz sollen weiterhin auch minderjährige Migrantinnen und Migranten in Ausschaffungsgefängnissen sitzen. Der Nationalrat will kein Verbot. Er hat am Mittwoch eine parlamentarische Initiative von Lisa Mazzone (Grüne/GE) abgelehnt.
Mazzone wollte die Administrativhaft für Migrantinnen und Migranten unter 18 Jahren verbieten. Heute verbietet das Gesetz die Haft lediglich für Kinder unter 15 Jahren.
Die Inhaftierung Minderjähriger verstosse aber gegen die Kinderrechtskonvention, sagte Mazzone. Eine Inhaftierung könne für sie traumatisierend sein. Ein Kind sei ein Kind —unabhängig von seiner Herkunft.
Grüne erinnern an Migrantenkinder in den USA
Balthasar Glättli (Grüne/ZH) erinnerte an das Entsetzen angesichts der Inhaftierung von Migrantenkindern in den USA. Der Umgang mit Kindern sei einer der deutlichsten Massstäbe für eine Gesellschaft, stellte er fest.
Das Argument, die Eltern könnten die Kinder mit einer freiwilligen Ausreise vor der Ausschaffungshaft bewahren, lässt Glättli nicht gelten. «Diese Kinder können nichts für die Entscheidung ihrer Eltern. Sie sollen auch nicht dafür mit Gefängnis bestraft werden», sagte er.
Der Rat lehnte den Vorstoss aber mit 118 zu 57 Stimmen bei 3 Enthaltungen ab. Er folgte damit seiner Kommission. Sprecher Heinz Brand (SVP/GR) gab zu bedenken, es handle sich um wenige Fälle pro Jahr.
«Sache der Kantone»
Die Haftanordnung sei Sache der Kantone. Diese handelten nicht unanständig, sondern rechtmässig, wenn sie Administrativhaft für über 15-Jährige anordneten. Für einen kohärenten Vollzug sei das unter Umständen notwendig.
Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK) hatte vergangenen Sommer festgestellt, dass manchmal auch Kinder unter 15 Jahren inhaftiert werden. Der Bundesrat wies die Kantone in der Folge an, zum Vollzug der Wegweisung von Kindern und deren Familien Alternativen anzuwenden.
Die GPK rügte ausserdem die unterschiedliche Inhaftierungspraxis in den Kantonen. In manchen Kantonen würden abgewiesene Asylsuchende in mit grosser Wahrscheinlichkeit inhaftiert, in anderen nicht. Die Kantone wendeten das Prinzip der Verhältnismässigkeit sehr unterschiedlich an, stellte die GPK fest. Sie warf die Frage auf, ob das rechtmässig sei.
Im Durchschnitt wird schweizweit ungefähr jede fünfte Person mit einem negativen Asylentscheid inhaftiert. Im Kanton Genf liegt die Haftquote bei 11 Prozent, im Kanton Obwalden bei 46 Prozent.