Neue Organisation hilft Opfern von Justizirrtümern in der Schweiz

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Genève,

Auch in der Schweiz werden Menschen verurteilt für Taten, die sie gar nicht begangen haben. Neu bietet eine in der Romandie gegründete Organisation Opfern von Justizirrtümern kostenlose Hilfe an.

Justizirrtümer gibt es auch in der Schweiz. Die Organisation Projet Innocence Suisse bietet möglichen Opfern von Fehlurteilen ihre Unterstützung an. (Symbolbild)
Justizirrtümer gibt es auch in der Schweiz. Die Organisation Projet Innocence Suisse bietet möglichen Opfern von Fehlurteilen ihre Unterstützung an. (Symbolbild) - sda - Keystone/GAETAN BALLY

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Vereinigung Projet Innocence Suisse hat sich am Donnerstag in Genf den Medien vorgestellt.

Hinter dem Projekt steht ein sechsköpfiges Komitee aus drei Anwältinnen und Anwälten sowie drei Rechtsprofessoren- und Professorinnen. Inspiriert hat die Gründer die bekannte US-Organisation Innonence Project, durch deren Unterstützung Hunderte zu Unrecht verurteilte Menschen freigesprochen wurden.

«Die Justiz ist nicht ohne Fehler», sagte André Kuhn, Professor an den Universitäten Neuenburg und Genf. Die Wiederaufnahme eines Falles erfordere erhebliche Ressourcen, welche die Möglichkeiten der Häftlinge und ihrer Familien oft übersteigen, betont die Vereinigung. Sie bietet ihre Hilfe in der gesamten Schweiz an.

Normalerweise endet die Arbeit der Anwälte, sobald ein Urteil rechtskräftig ist. In dieser Phase, wenn alle Beschwerdemöglichkeiten ausgeschöpft sind, greift der Verband ein. Das ausserordentliche Rechtsmittel gegen rechtskräftige Urteile ist die Revision. Projet Innocence Suisse bearbeitet zwar selber keine Revisionsanträge, unterstützt aber aber mögliche Opfer von Fehlurteilen.

Personen, die glauben, falsch verurteilt worden zu sein, können der Organisation ihren Fall schildern. Ein entsprechendes Formular ist auf der Internetseite von Projet Innocence Suisse abrufbar. Zuerst klärt die Organisation ab, wie gross die Erfolgsaussichten für ein Revisionsgesuch sind.

Danach suchen Jus-Studenten an den Universitäten nach neuen Beweismitteln und Tatsachen im Fall. «Falschaussagen oder fehlerhafte Gutachten etwa können gute Gründe für eine Revision eines Falls sein», erklärte Nathalie Dongois, Rechtsprofessorin an der Universität Lausanne und Mitglied des Komitees.

Die Ergebnisse dieser Abklärungen werden anschliessend an die Anwälte der verurteilten Personen weitergeleitet. Sie können diese für einen Revisionsantrag verwenden. «Es geht nicht darum, neu Mandate zu sammeln, sagt Rechtsanwalt und Mitgründer der Organisation, Jean-Marc Carnicé. »Wir bearbeiten keine Revisionsgesuche.«

Um ein Verfahren wiederaufzunehmen, bedarf es neuer Tatsachen oder Beweismitteln, die einen Freispruch, eine wesentlich mildere oder wesentlich strengere Bestrafung der verurteilten Person oder eine Verurteilung der freigesprochenen Person herbeiführen können.

Gemäss einem Bericht des Schweizerischen Nationalfonds über Fehlurteile in der Schweiz aus dem Jahr 2007 wurden 237 Revisionsgesuche zwischen 1995 und 2004 als zulässig erachtet.

Der Genfer Anwalt und Präsident der Schweizer Vereinigung, Guglielmo Palumbo, hatte 2016 in den USA für Innocence Projet gearbeitet. In den USA wurden dank der Organisation nach eigenen Angaben bislang 362 Menschen freigesprochen, die irrtümlicherweise verurteilt worden waren. Darunter waren 20, die in der Zelle auf die Todesstrafe warteten. In 158 Fällen wurden die tatsächlichen Täter gefunden.

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