Organisationen drängen Bundesregierung zum schnellen Handeln für Flüchtlinge
Kinder- und Menschenrechtsorganisationen drängen die Bundesregierung zum schnellen Handeln in der griechischen Flüchtlingskrise.
Das Wichtigste in Kürze
- Kinderschutzbund: Lager auf griechischer Insel Lesbos «Schande für Europa».
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) müsse seine «Blockadehaltung» gegen die Aufnahme von geflüchteten Kindern und ihren Familien aufgeben, erklärte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers. Pro Asyl mahnte, eine Lösung müsse über unbegleitete Kinder hinausgehen. Die Bundesregierung reagierte zurückhaltend.
Kinderschutzbundpräsident Hilgers erklärte, allein im Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos harrten etwa 7000 Kinder aus. Die dortigen Zustände seien «eine Schande für die Europäische Union». Der Kinderschutzbund erkenne zwar die Bemühungen der Bundesregierung um eine multilaterale Lösung an, diese dauerten aber bereits mehrere Monate. «Den Kindern dort läuft die Zeit davon», warnte Hilgers.
«Wir freuen uns über jedes Kind, das der Hölle von Moria entfliehen darf», erklärte die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. Die Lösung liege aber nicht in der alleinigen Aufnahme unbegleiteter Kinder. «Pro Asyl fordert auch für die restlichen mehr als 35.000 Geflüchteten - Frauen, Kinder, Traumatisierte - auf den Inseln eine europäische Verantwortungsteilung.» Deutschland und andere EU-Staaten müssten jetzt handeln.
Auch der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, verlangte schnelle und unbürokratische Hilfe für die Flüchtlinge. «Es gibt auch in Deutschland viele Kommunen und Länder, die bereit sind Menschen aufzunehmen, angefangen bei den Schwächsten, den Kindern», betonte er.
«Noch gibt es die Chance, Hilfe im Rahmen von legalen und geordneten Verfahren zu bieten», erklärte Sternberg. Damit müsse aber «unverzüglich» begonnen werden, anstatt auf die Beteiligung aller EU-Staaten zu warten.
Nachdem bereits verschiedene Kommunen und Bundesländer die Aufnahme von Flüchtlingen angeboten hatten, veröffentlichten am Freitag die Oberbürgermeister von neun Städten eine gemeinsame Erklärung. Darin forderten sie «sofortiges Handeln der Bundesregierung zur Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen aus Aufnahmelagern in Griechenland». Getragen wird die Initiative von den Oberbürgermeistern von Köln, Düsseldorf, Hannover, Freiburg im Breisgau, Rottenburg am Neckar, Frankfurt (Oder) und Potsdam sowie dem niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius (SPD).
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR begrüsste derartige Vorstösse. Sie seien «Ausdruck einer erheblichen Aufnahme- und Hilfsbereitschaft», erklärte der Leiter der UNHCR-Rechtsabteilung in Deutschland, Roland Bank. In der aktuellen «kritischen Situation» könne Deutschland vorangehen und «eine substanzielle Zahl von Schutzsuchenden aufnehmen».
Die Bundesregierung äusserte sich am Freitag zurückhaltend. Über die Aufnahme von Flüchtlingen werde es «zeitnah» Gespräche auf EU-Ebene geben, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Im Vordergrund stehe derzeit aber die Sicherung der EU-Aussengrenzen.
Laut einem Rechtsgutachten im Auftrag der Grünen könnten die Bundesländer auch ohne Zustimmung der Bundesregierung Flüchtlinge aufnehmen, wie die Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Samstagsausgaben) berichteten. «Sowohl das Grundgesetz als auch das einfache Recht gewähren den deutschen Bundesländern substantiellen Spielraum, Massnahmen zur Aufnahme von Flüchtenden aus humanitären Notlagen zu ergreifen», heisst es demnach in der Expertise. Den Bundesländern stehe das Recht zu, «besonders vulnerable Personen, wie etwa Kinder und ihre Mütter oder unbegleitete Minderjährige», aufzunehmen.