Pro Asyl fordert Aufnahme unbegleiteter Minderjähriger von Ägäis-Inseln
Vor dem Aufbruch von Innenminister Horst Seehofer (CSU) in die Türkei und nach Griechenland am Donnerstag haben Oppositionspolitiker und Hilfsorganisationen mehr Unterstützung für die Flüchtlinge dort gefordert.
Das Wichtigste in Kürze
- Auch Grüne verlangen vor Seehofer-Reise mehr Hilfe für Flüchtlinge.
Pro Asyl forderte die sofortige Aufnahme unbegleiteter Minderjähriger von den griechischen Ägäis-Inseln. Die Grünen riefen die Bundesregierung auf, dem griechischen Wunsch nach Unterstützung bei der Bearbeitung von Asylanträgen nachzukommen.
Die beiden Grünen-Politikerinnen Luise Amtsberg und Claudia Roth kritisierten die «unmenschlichen Bedingungen in den überfüllten Hotspots» auf den Inseln. Seehofer solle in Athen darauf dringen, mehr Flüchtlingen aus den Lagern «eine menschenwürdige Unterbringung auf dem Festland möglich zu machen». Flüchtlingen, die aufgrund familiärer Verbindungen ein Recht auf Übernahme nach Deutschland hätten, solle rasch die Einreise erlaubt werden.
Auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl rief die Bundesregierung auf, sofort unbegleitete Minderjährige aufzunehmen sowie Familienzusammenführungen im Rahmen der Dublin-Verordnung zu ermöglichen. Dreieinhalb Jahre EU-Türkei-Deal hätten auf den Inseln zu einem Ausnahmezustand geführt, kritisierte Pro Asyl. Derzeit lebten in Griechenland mehr als 4100 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.
Familienzusammenführungen von Asylsuchenden mit Angehörigen in Deutschland würden «systematisch ausgehebelt», kritisierte Pro Asyl. Weil Fristen ausgelaufen seien, würden Übernahmeersuche aus Griechenland systematisch abgelehnt. Die Organisation forderte ein gross angelegtes Umverteilungsprogramm aus Griechenland. Zugleich warnte sie Athen und die EU-Staaten davor, Schutzsuchende in die Türkei abzuschieben.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums wies die Vorwürfe zurück. Dem Ministerium seien bei dem Dublin-Verfahren für Überstellungen aus Griechenland «keine Schwierigkeiten bekannt». Aus seiner Sicht funktioniere das Verfahren «reibungslos», erklärte der Sprecher. Deutschland habe vom 1. Januar bis zum 31. August 1102 Übernahmeersuchen erhalten und 409 Zustimmungen erteilt. 521 Flüchtlinge seien aus Griechenland übernommen worden.
Die Hilfsorganisation Medico International forderte vor der Seehofer-Reise ein «radikales Umdenken in der Migrationspolitik». Europa dürfe die Verantwortung für Flüchtlinge aus dem Nahen Osten nicht länger an Griechenland und die Türkei delegieren, forderte sie. Der EU-Deal mit Ankara habe zwar viele Flüchtlinge ferngehalten. Doch heute seien die griechischen Inseln «eine Sonderrechtszone, in der Rechtsstaatlichkeit ausser Kraft gesetzt ist».
Seehofer reist am Donnerstagabend mit dem EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos und dem französischen Innenminister Christophe Castaner in die Türkei. Für Freitag sind Gespräche in Athen geplant. Dabei soll es vor allem um die Umsetzung des EU-Flüchtlingsdeals mit der Türkei gehen. Die Vereinbarung von März 2016 hatte zu einem starken Rückgang der Flüchtlingszahlen auf den griechischen Ägäis-Inseln geführt.
Seitdem die Türkei den Druck auf Migranten ohne gültige Papiere verstärkt hat, versuchen aber wieder vermehrt Flüchtlinge nach Griechenland zu gelangen. Ende September kamen pro Tag 452 Flüchtlinge auf den Inseln an. Auf Lesbos gab es nach einem tödlichen Brand in den vergangenen Tagen heftige Proteste gegen die Zustände in den Flüchtlingslagern. Die Camps sind seit Jahren völlig überlastet, da sich die Asylverfahren in die Länge ziehen.