Report: Gefühl «kollektiver Hilflosigkeit» in G7-Staaten wegen Krisen
Wegen der Vielzahl von Krisen in der Welt weitet sich einem Bericht der Münchner Sicherheitskonferenz (MSK) zufolge in den G7-Staaten das Gefühl einer «kollektiven Hilflosigkeit» aus.
Das Wichtigste in Kürze
- Münchner Konferenz sieht wachsende Furcht vor Kontrollverlust in Europa.
Angesichts der «scheinbar endlosen Corona-Pandemie», immer stärkeren Auswirkungen des Klimawandels und internationalen Krisen wie in Afghanistan oder der Ukraine wachse die Furcht vor einem zunehmenden Kontrollverlust, sagte der Ko-Autor des Berichts, Tobias Bunde, am Montag in Berlin.
«Gleichzeitig fühlen sich immer mehr Menschen Kräften gewissermassen ausgeliefert, die die Politik scheinbar nicht kontrollieren kann», führte er aus. Dies gelte «von der wirtschaftlichen Globalisierung mit ihren Abhängigkeiten bis hin zur Zunahme von Desinformation in den sozialen Netzwerken». Der G7-Gruppe führender Industrieländer gehören Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA an.
Vor allem liberale Demokratien scheinen sich dem MSK-Bericht zufolge angesichts der vielen Krisen überfordert zu fühlen. Diese Wahrnehmung sei höchst gefährlich, da sie zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden könne: «Gesellschaften, die von einer Welle von Krisen überrollt werden, könnten am Ende nur noch hinnehmen, was ihnen widerfährt, obwohl (...) sie über die Mittel und Ressourcen verfügen, etwas gegen diese Krisen zu unternehmen», sagte Bunde.
«Gewissermassen als Therapie» schlug Bunde «erlernten Optimismus» vor: «Es liegt vor allem an den politischen Entscheidungsträgern, zu zeigen, dass wir gemeinsam diese erlernte Hilflosigkeit auch wieder verlernen können.»
Der in dem Bericht enthaltene Münchner Sicherheitsindex 2022, für den repräsentativ Bürger in den G7-Staaten und Brics-Ländern (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) befragt wurden, spiegelt ein hohes wahrgenommenes Risiko angesichts einer Fülle von Krisen wider. In Deutschland ist die Gesellschaft dem Sicherheitsindex zufolge 2022 risikobewusster geworden als im Jahr zuvor.
Die Menschen machten sich mehr Sorgen wegen Migration aufgrund von Krieg oder Klimawandel, Lebensmittelknappheit und Spannungen zwischen westlichen Mächten. So fühle sich mehr als ein Drittel der Menschen in Deutschland (38 Prozent) unvorbereitet auf die Auswirkungen von Migration - mehr als in jedem anderen westlichen Land. Auch die Risikowahrnehmung gegenüber Russland sei gestiegen.
Nichts veranschauliche die Sorge der Menschen besser als die zunehmend angespannte Sicherheitslage an der Ostflanke der Nato, heisst es dazu in dem Bericht. Moskau habe unmissverständlich klargemacht, «dass es eine Revision der europäischen Sicherheitsordnung anstrebt». Russland beharre auf einer «Einflusssphäre» in seiner Nachbarschaft und schränke damit die Souveränität von Ländern wie der Ukraine ein.
Der russische Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze und die dadurch ausgelösten Befürchtungen, dass Russland eine Grossinvasion in dem Nachbarland vorbereiten könnte, könnte, überschatten die am Freitag beginnende Münchner Sicherheitskonferenz.
MSK-Chef Wolfgang Ischinger warb am Montag vor dem Hintergrund der Spannungen für eine Teilnahme Russlands an der Konferenz. Dass Moskau bislang abgesagt habe, sei «bedauerlich». Aber er werde da «am Ball» bleiben, sagte Ischinger. «Wir werden alles versuchen, um doch noch einen autorisierten russischen Sprecher nach München zu bekommen.»
An der Tagung werden nach Angaben der Organisatoren 35 Staats- und Regierungschefs, rund hundert Ministerinnen und Minister sowie die Spitzen von UNO, Nato und EU teilnehmen. UN-Generalsekretär António Guterres wird das dreitägige Treffen eröffnen. Teilnehmen wird auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Ebenso angekündigt hat sich US-Vizepräsidentin Kamala Harris.