So konnte Joe Biden die rote Hochburg Georgia knacken
Das Wichtigste in Kürze
- Joe Biden wird wohl auch den Bundesstaat Georgia gewinnen.
- Bill Clinton war der letzte Demokrat, dem dies gelungen ist.
- Dieser Erfolg wurde über viele Jahre von verschiedenen Personen herbeigeführt.
Es dürfte am Freitag kein schönes Erwachen für US-Präsident Donald Trump gewesen sein. Innerhalb eines Morgens verlor er sowohl in Pennsylvania als auch in Georgia die Führung im Wahlkampfrennen. Zwei Staaten, dessen Elektorenstimmen essenziell für seine Wiederwahl gewesen wären. Der eine, Pennsylvania, war längst bekannt als sogenannter Swing State, ein Staat, der immer wieder zwischen demokratisch und republikanisch kippt.
Aber dass ihre Hochburg Georgia zum «Battleground» wurde, ist neu für die «Grand Old Party». Seit den 60er-Jahren erhielten gerade mal zwei demokratische Präsidentschaftskandidaten die Elektoren-Stimmen aus Georgia: der einheimische Jimmy Carter 1976 und 1980 und der ebenfalls aus dem Süden stammende Bill Clinton 1992.
Erfolg hat sich langsam angebahnt
Nun wird sich Joe Biden wohl in dieser Liste einreihen können. Sein Erfolg käme aber nicht aus dem Blauen heraus.
2008 wurde Joe Biden als Vizepräsident von Obama ins Weisse Haus gewählt. In Georgia erhielt Obama rund 500'000 Stimmen mehr als der demokratische Kandidat John Kerry im Rennen 2004. Der heute 59-Jährige konnte grosse Teile der schwarzen Bevölkerungsgruppen mobilisieren, die in Georgia heute rund einen Drittel ausmachen.
Georgia wächst und wächst
Den hohen Anteil an Wählenden konnte Hillary Clinton 2016 gar noch etwas ausbauen. 30'000 Menschen mehr als Barack Obama 2008 wählten die damalige Präsidentschaftskandidatin.
Das war allerdings wenig verwunderlich. Denn in diesen Jahren wuchs Georgia um rund eine Million Einwohner und die Demografie verjüngte sich stark und wurde diverser. Während der Anteil an weissen Menschen um die Jahrtausendwende noch 70 Prozent betrug, sind es heute noch 54 Prozent.
Und der Grossraum Atlanta, die grösste Stadt des Bundesstaates, machte drei Viertel dieses Wachstums aus. Jung, urban und schwarz – genau diese Bevölkerungsgruppen stellen einen grossen Anteil der demokratischen Wählerschaft.
Hillary Clinton konnte Potenzial nicht ausnutzen
Betrachtet man das diesjährige Resultat, ist man gezwungen zu sagen, dass Clinton das Potenzial nicht ausnutzen konnte. Immerhin konnte sie bei der Wahl 2016 erstmals seit Carter die suburbanen Counties wie Gwinnett «flippen».
Um den ganzen Bundesstaat auf den Kopf zu stellen, brauchte es noch weitere Entwicklungen. Seit 2014 sind mehr als eine Million vorwiegend afroamerikanische Wählerinnen und Wähler dazugekommen. Eine, die mitverantwortlich dafür ist und die wichtigste Rolle bei dieser Erfolgsgeschichte spielt, ist Demokratin Stacey Abrams.
Abrams holt Tausende Wähler an Bord
Abrams kandidierte vor zwei Jahren als Gouverneurin im «Peach State». Sie war die erste afroamerikanische Frau, die von einer der beiden Grossparteien für Wahlen auf dieser politischen Ebene aufgestellt wurde. Dabei schnitt sie besser ab als Hillary Clinton zwei Jahre zuvor bei den Präsidentschaftswahlen.
Sie sprach mit ihren Anliegen vorwiegend schwarze Menschen an und konnte für die Wahl 2018 mächtig mobilisieren. 1'923'685 Menschen stimmten für Abrams. Sie verlor die Wahl trotzdem. Ihr republikanischer Konkurrent Brian Kemp konnte auf die Unterstützung von Donald Trump zählen und erhielt rund 50'000 Stimmen mehr.
Abrams engagierte sich nach der Nichtwahl weiterhin für den Gewinn von Stimmen in dem Bundesstaat. Mit ihrer Organisation «Fair Fight» setzte sie sich für ein gerechteres Wahlsystem ein und konnte gleichzeitig Tausende zur Wahl motivieren.
Essenziell für den Wahlkampf von Joe Biden
Zudem machte sie gemeinsam mit Barack Obama Wahlkampf in Georgia für Joe Biden. Denn die Biden-Harris-Kampagne legte grossen Fokus auf den «Peach State». Und zu den Helfern Bidens, die wichtige Stimmen mobilisieren sollten, gehört natürlich auch Kamala Harris. Diese wird nun als erste Schwarze und als erste Frau überhaupt das Vizepräsidentschaftsamt innehaben.
Wie wichtig Georgia der Biden-Harris-Kampagne war, zeigen die Auftritte von Abrams und Obama zwei Tage vor der Wahl. Durch ihr unterschiedliches Engagement konnte das Trio viele afroamerikanische Wähler hinter Joe Biden scharen.
Eine Aufgabe, die in diesem von Rassismus-Diskussionen und Black-Lives-Matter-Demonstationen geprägten Jahr sicherlich einfacher fiel als in Vorjahren. Mit diesen Aktionen haben hunderte Menschen gezeigt, dass sie die Zukunft des Landes mitbestimmen wollen. Trump weigerte sich mehrmals, sich von weissen Suprematisten wie den Proud Boys zu distanzieren. Und aus Sicht vieler durfte er nicht wiedergewählt werden.
Joe Biden erreicht mehr Bevölkerungsgruppen
Ohne die Efforts dieser drei Personen wäre Biden in Georgia aber chancenlos gewesen. Denn zeitgleich konnte auch Trumps Kampagne Hunderttausende Menschen zum Wählen anspornen.
Im Vergleich zu den Gouverneurswahlen 2018 zeigt sich in den Städten dennoch eine neuerliche Verschiebung zu den Demokraten. Biden erhielt in den meisten urbanen oder suburbanen Counties grössere Stimmenanteile als Abrams vor zwei Jahren. Wirft man den Blick über die Stadtgrenze von Atlanta, zeigt sich noch ein weiterer Unterschied zu den vorherigen Wahlen.
Joe Biden, als alter weisser Mann mit einer moderaten Politik, konnte nebenbei auch auf dem Land vermehrt Stimmen seinesgleichen abholen. Bei diesem Unterfangen war Abrams, die zum linken Flügel gezählt wird, vor zwei Jahren gescheitert.
Er konnte in Regionen rund um Atlanta besser abschneiden als Abrams. Zusammen mit den Stimmen aus den urbanen Zonen dürften diese Wählenden geholfen haben, den Unterschied zu machen. Auch in der Nachzählung.