Ukrainer reagieren skeptisch auf Trumps Deal mit Putin
Die Folgen der zwischen US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin erzielten Vereinbarung im Ukraine-Krieg sind ungewiss.

Aus Washington, Moskau und Kiew gab es unterschiedliche Interpretationen zum Inhalt der Abmachung und ihren Erfolgsaussichten. Sicher ist nur, dass es nicht zu der von Trump angestrebten Einigung auf eine vollständige Waffenruhe von 30 Tagen kam – und in der Ukraine auch in der Nacht zu Mittwoch wieder Luftalarm herrschte.
Eigentlich sollen Russland und die Ukraine gemäss dem von Washington und Moskau verkündeten Deal einen Monat lang keine Energieanlagen im gegnerischen Land mehr beschiessen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte dazu, sein Land unterstütze die Idee, brauche aber noch Informationen, worauf genau sich Trump und Putin geeinigt hätten.
«Viele Elemente eines Friedensvertrags erörtert»
Der US-Präsident hatte nach dem angeblich «sehr guten und produktiven» Gespräch mitgeteilt, man habe sich auf eine sofortige Waffenruhe mit Blick auf die Energieinfrastruktur der Ukraine geeinigt – «mit der Übereinkunft, dass wir schnell auf eine vollständige Waffenruhe und letztlich auf ein Ende dieses schrecklichen Krieges zwischen Russland und der Ukraine hinarbeiten werden».
Mit dem Kremlchef habe er «viele Elemente eines Friedensvertrags erörtert». Putin wie Selenskyj wollten ein Ende des Krieges, sagte Trump. «Dieser Prozess ist nun in vollem Gange, und wir werden ihn hoffentlich zum Wohle der Menschheit zu Ende führen.»
Selenskyj äusserte sich skeptischer zum angeblichen Friedenswillen Moskaus. Es dürfe nicht passieren, dass Russlands Militär ukrainische Energieanlagen beschiesse «und wir schweigen», sagte er ukrainischen Medien während eines Besuchs in Finnland. «Wir werden antworten», zitierte ihn der Sender Suspilne. Selenskyj zählt demnach auf ein baldiges Gespräch mit Trump.
Weitere Verhandlungen in Saudi-Arabien angekündigt
Als Nächstes soll es nun am Sonntag in Saudi-Arabien weitere Verhandlungen über ein Ende des russischen Angriffskriegs geben, wie Trumps Sondergesandter Steve Witkoff im US-Fernsehen ankündigte. Wer genau daran beteiligt sein wird, liess er offen. Es gebe noch einige Details auszuhandeln, sagte Witkoff dem Sender Fox News.
Zuletzt hatten in Dschidda bereits Vertreter der USA und der Ukraine über ein Ende des russischen Angriffskriegs beraten. Für die Ukraine zählt vor allem, dass die Präsidenten der Atomgrossmächte keine für sie nachteiligen Festlegungen treffen. Selenskyj kritisierte daher, dass Putin und Trump ohne Beteiligung der Ukraine über deren Angelegenheiten verhandelten.
Verlangt Putin einen Hilfsstopp oder nicht?
In einer Sendung auf Fox News antwortete Trump auf die Frage der Moderatorin, ob Putin in dem Telefonat einen sofortigen Stopp sämtlicher Hilfen für die Ukraine gefordert habe: «Nein, das hat er nicht. Wir haben nicht über Hilfen gesprochen.» Unklar blieb, auf welche Art von Unterstützung er sich dabei bezog – ob es also um militärische, finanzielle oder humanitäre Hilfe ging.
Der Kreml hatte nach dem Telefonat der beiden Präsidenten mitgeteilt, Putin habe in dem Gespräch eine Reihe von Forderungen der russischen Seite benannt. Unabdingbar sei etwa, dass der Westen keine weiteren Waffen und Geheimdienstinformationen mehr an die Ukraine liefere. Ausserdem ist bekannt, dass Putin eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine und Soldaten der Militärallianz im Nachbarland verhindern will.
Am ehesten haben die Konfliktparteien in den drei Kriegsjahren noch beim Austausch von Gefangenen zueinander gefunden. So bestätigte Selenskyj russische Angaben, wonach beide Seiten heute wieder je 175 Kriegsgefangene austauschen wollen. Russland erklärte sich ausserdem bereit, 23 schwer verwundete ukrainische Soldaten in die Heimat zu entlassen.
Russische Drohnenangriffe in der Nacht
Dass von Frieden noch lange keine Rede sein kann, zeigte sich auch nach Trumps Telefonat mit Putin. Die russische Armee griff die Ukraine in der Nacht einmal mehr mit Schwärmen von Kampfdrohnen an. In der frontnahen Stadt Kupjansk im Gebiet Charkiw wurde laut Behördenangaben eine Frau getötet. Auch in der Hauptstadt Kiew gab es Luftalarm. Medien berichteten von Explosionen.
«Mit diesem nächtlichen Angriff zerstört Russland erneut unsere Energetik, unsere Infrastruktur, das normale Leben der Ukrainer», schrieb Selenskyj auf der Plattform X. «Die Tatsache, dass diese Nacht keine Ausnahme bildet, belegt, dass man auf Putin weiter Druck zum Frieden ausüben muss.»
Die US-Regierung müsse verstehen, dass Putin mit allen Mitteln versuche, die Ukraine unter Druck zu setzen, sagte Selenskyj. «Putin will mehrere Offensiven in Richtung Saporischschja, im Osten in Richtung Charkiw und Sumy durchführen. Und warum? Um maximalen Druck auf die Ukraine auszuüben und dann aus einer Position der Stärke heraus ein Ultimatum zu stellen.»
Attacken auf russische Ölanlagen zeigen Wirkung
Russland hat mit seinen Raketen- und Drohnenangriffen das ukrainische Energiesystem an vielen Stellen schwer beschädigt. Trotzdem ist es auch im dritten Kriegswinter nicht zusammengebrochen. Die Ukraine wiederum bereitete zuletzt mit ihren immer wirksameren Attacken auf russische Ölraffinerien der Moskauer Führung ein Problem.
Wohl deshalb lenke Putin genau an diesem Punkt ein, schrieb der deutsche Osteuropaexperte Janis Kluge im Netzwerk X. Über einen Stopp der Luftangriffe auf Energieanlagen hätten Russland und die Ukraine schon vor Trumps Wahlsieg im November verhandelt, gab der polnische Experte Daniel Szeligowski zu bedenken. Der US-Präsident habe also letztlich kein Zugeständnis erreicht.