Angela Penkov (SP): «Bürgerrat überflüssig und veraltet»
Die Tage des Bürgerrats als letzte Instanz für die Einbürgerung sind in Schaffhausen gezählt – jedenfalls wenn es nach SP-Grossstadträtin Angela Penkov geht.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bürgerrat entscheidet in Schaffhausen über eine mögliche Einbürgerung mit.
- Doch der Grosse Stadtrat befasst sich nun mit der Abschaffung des Bürgerrats.
- Angela Penkov (SP) erklärt im Interview, weshalb das Verfahren vereinfacht werden soll.
Wer in Schaffhausen den Schweizer Pass erhalten will, braucht neben der positiven Antwort des Stadtrates auch das Ok des Bürgerrates. Urs Tanner (SP) hat 2021 eine Motion zur Vereinfachung des Verfahrens eingereicht. Da der Bürgerrat kaum Einfluss auf die Entscheidung nehmen könne, soll dieser nun komplett abgeschafft werden.
Angela Penkov (SP), Vizepräsidentin des Grossen Stadtrats, erklärt im Nau.ch-Interview, weshalb der Bürgerrat aus Ihrer Sicht überflüssig und veraltet ist.
Nau.ch: Befürworten Sie die Abschaffung des Bürgerrats? Weshalb?
Angela Penkov: Die SP/JUSO-Fraktion des Grossen Stadtrats Schaffhausen steht klar hinter der Vorlage des Stadtrates und begrüsst die Abschaffung des Bürgerrats. Dies hat sie bereits zum Ausdruck gebracht, als sie die Motion von Grossstadtrat Urs Tanner «Bürgerrat abschaffen – Einbürgerungsverfahren verschlanken» im Juni 2021 mit der Mehrheit des Grossen Stadtrates mit 22:12 Stimmen überwiesen hat.
Der Bürgerrat ist in seiner Form veraltet und überflüssig. Der Umweg über das Bürgerratsgremium verzögert die Einbürgerungsverfahren unnötig, welche mit 1,5 bis 2 Jahre viel zu lang dauern. In der revidierten Bürgerrechtsverordnung des Bundes von 2018 werden Einbürgerungskriterien so präzisiert, dass für Diskussionen und Willkür an Bürgerratssitzungen kein Raum mehr besteht und macht dessen Sitzungen obsolet. Die Anpassung an das vereinfachte Einbürgerungsverfahren kommt allen Bürger_innen entgegen und wirkt sich positiv aus auf die politische Partizipation, welche einen der wichtigsten Grundpfeiler unserer Demokratie bildet.
Nau.ch: Der Stadtrat argumentiert, der Bürgerrat hätte kaum Spielraum für eine abweichende Beurteilung, daher habe er bisher auch seit 2018 nicht ein einziges Gesuch formell abgewiesen. Stimmen Sie dem zu, oder prüft der Bürgerrat möglicherweise die Gesuche nicht genau genug?
Penkov: Die Eignungskriterien sind klar definiert. Bereits bei der Gesuchstellung müssen die entsprechenden Dokumente zur Erfüllung der Einbürgerungskriterien eingereicht werden. Gesuche, welche die nötigen Nachweise nicht enthalten, beispielsweise die Bescheinigung der Steuerverwaltung, dass keine Steuerausstände bestehen, werden bereits in einem Vorstadium durch die Stadtkanzlei zurückgestellt, beziehungsweise zur Nachbesserung an die Gesuchstellenden zurückgeleitet und gelangen schon gar nicht in den Bürgerrat.
Der Bürgerrat ist zudem nicht befugt, Einbürgerungen aufgrund eigener Kriterien zu beurteilen, die politisch geprägt, unsachlich und willkürlich sein könnten. Der Bürgerrat prüft die Gesuche in dem Umfang, wie es ihm zusteht, an seiner Genauigkeit zweifle ich nicht. Dass knapp 380 Gesuche in den letzten fünf Jahren gutgeheissen wurden, spricht auch dafür, dass die Vorprüfungsinstanz der Stadtkanzlei sorgfältig gearbeitet hat.
Nau.ch: Der Stadtrat schreibt, ein Ziel dieser Änderung sei die Zunahme der Einbürgerungen – obwohl der Bürgerrat noch keine negativen Entscheide gefällt hat. Denken Sie, die Abschaffung des Bürgerrates würde tatsächlich einen Effekt bei den Einbürgerungen erzielen?
Penkov: Auf jeden Fall. Der Stadtrat hat die Schaffung effizienter und bürgerfreundlicher Dienstleistungen als Legislaturziel definiert. Die Abschaffung des Bürgerrats und die damit einhergehende Vereinfachung des Verfahrens gehört für mich hier klar dazu. Die Stadt Schaffhausen zieht damit mit anderen Gemeinden und Kantonen, wie Aargau oder Bern gleich, in welchen die Praxis der Einbürgerungsverfahren über die Exekutive bereits seit Jahren erfolgreich umgesetzt wird.
«Ein kleiner Schritt in Richtung einer lebendigeren und moderneren Demokratie»
Ausserdem sendet die Stadt ein positives Signal an die Bevölkerung, insbesondere an jene, welche sich aktiv um eine politische und gesellschaftliche Teilhabe bemühen, ihren Teil zu unserer Wirtschaft und unserem kulturellen Leben beitragen, unseren Gesetzen unterstehen, jedoch noch über keinen Schweizer Pass verfügen.
Persönlich unterstütze ich eine noch aktivere Förderung von Einbürgerungen und Mitspracherecht, zumal in der Schweiz ein Viertel der Bevölkerung nicht über das Bürgerrecht verfügt und somit nicht gleichberechtigt ist. Die Abschaffung des Bürgerrats ist ein erster wichtiger Schritt, die Mitsprache und Partizipationsmöglichkeiten zu fördern.
Nau.ch: Durch die Abschaffung könnten jährlich Sitzungskosten von rund 15'000 Franken eingespart werden. Lohnt es sich, für diesen kleinen Betrag eine Volksabstimmung durchzuführen?
Penkov: Gerade dieses Thema verdient eine Volksabstimmung, eine möglichst hohe Wahlbeteiligung und hoffentlich eine breite Abstützung durch die Stimmbevölkerung, die sich ihren Privilegien bewusst sein sollte. Unabhängig davon, dass hier nicht die finanziellen Einsparungen im Vordergrund stehen, darf man noch anmerken, dass diese wiederkehrend wären, während eine Volksabstimmung nur einmalig Kosten verursacht und bei einer Änderung der Stadtverfassung sowieso unumgänglich ist.
Die Schaffhauser Bevölkerung erhält die Möglichkeit, durch die Abschaffung des Bürgerrates die Verwaltung zu verschlanken, die Prozesse zu beschleunigen und kundenfreundlicher machen. Ein kleiner Schritt in Richtung einer lebendigeren und moderneren Demokratie.
Zur Person: Angela Penkov (45) ist seit 2010 in der Stadt Schaffhausen wohnhaft, seit 2017 im Grossen Stadtrat Schaffhausen, war bis März 2021 AL-Mitglied und Co-Präsidentin. Seit März 2021 ist sie nun SP-Mitglied, seit Januar 2024 zudem 1. Vizepräsidentin des Grossen Stadtrats. Beruflich ist Angela Penkov als Lehrperson und Schulleiterin im Lindenforum tätig und unterrichtet in der Schule für Gestaltung, Lohn SH, und im Werkjahr, praktisches 9. Schuljahr in Neuhausen.