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Balz Herter wird höchster Basler – Rückkehr eines Abgeschriebenen

Alessandra Paone
Alessandra Paone

Basel,

Der frühere Mitte-Chef Balz Herter galt als politisch erledigt, nun steht er vor seinem bisher grössten politischen Karriereschritt. Was kommt danach?

Balz Herter
«Es geht mir gut», sagt Balz Herter. - OnlineReports.ch / Alessandra Paone

Das Wichtigste in Kürze

  • Balz Herter galt als politisch erledigt.
  • Nun steht der Mitte-Politiker vor dem bisher grössten Moment seiner politischen Karriere.
  • Am 5. Februar kürt der Grosse Rat Herter zum Präsidenten und damit zum höchsten Basler.

Ständeratswahl 2023: Konsterniert steht Balz Herter im Wahlforum des Congress Centers in Basel. Der Mitte-Politiker hat gerade einmal ein Sechstel der Stimmen der amtierenden SP-Ständerätin Eva Herzog erreicht und liegt nur knapp vor Pascal Messerli von der SVP. Polit-Beobachterinnen und Journalisten sind sich einig: Herter ist politisch erledigt.

Dieses Urteil setzt dem damaligen Mitte-Präsidenten spürbar zu. Es folgt eine Phase der Verunsicherung, der Desorientierung. Herter wirkt abwesend, hat Aussetzer beim Reden.

Wegbegleiter und Medienschaffende fühlen sich in ihrer Wahrnehmung bestätigt – für Herter sei es vorbei, er könne seine Regierungsambitionen vergessen.

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Seither sind knapp eineinhalb Jahre vergangen, und Herter steht vor dem bisher grössten Moment seiner politischen Karriere.

Am 5. Februar kürt der Basler Grosse Rat den 40-Jährigen zum Präsidenten und damit zum höchsten Basler. Er tritt die Nachfolge von Claudio Miozzari von der SP an.

Die Wahl erfolgt wenige Tage nach dem Vogel Gryff, an dem Herter als Meister der Ehrengesellschaft zum Greifen am Gryffe-Mähli im Congress Center vor über 400 Gesellschaftsbrüdern seine Rede hielt. Ein weiterer Höhepunkt im Leben des stolzen Kleinbaslers.

Die schwierige Phase scheint überwunden. «Es geht mir gut», sagt Herter. Er arbeitet seit 19 Jahren für das Pharma-Unternehmen Roche und ist dort für die Nachbarschaftspflege zuständig.

Wirbel um Liebesbeziehung

Herter wirkt entspannt, ist gut gelaunt. Seine Miene verfinstert sich aber, wenn er über den Ständerats-Wahlkampf spricht. Dieser war überschattet von einem Riesen-Wirbel um seine Beziehung mit der Grossrätin Jessica Brandenburger, damals Co-Präsidentin der SP Basel-Stadt.

Wochenlang berichten Medien über das Liebespaar. Eine private Angelegenheit wird schweizweit zum Politikum. Man befürchtet Interessenkonflikte, denn Brandenburger leitet den Wahlkampf von Ständerätin Eva Herzog.

Sie verzichtet schliesslich auf diese Aufgabe und gibt auch die Co-Leitung der Partei ab. Der Liebe wegen – so lautet die offizielle Begründung. Die Diskussionen gehen weiter: Warum tritt sie kürzer und nicht er?

Nicht einfach gewesen

Herter spricht offen über seine Gefühle von damals. Er sagt: «Als im Sonntagstalk von Telebasel die Gäste darüber diskutierten, ob es okay sei, dass wir zusammen sind – das war schon krass.»

Es sei nicht einfach gewesen, mit der Situation umzugehen, weder für ihn, für Jessica Brandenburger noch für seine damalige Frau, von der er inzwischen geschieden ist.

Nach einem Artikel der Weltwoche habe er sogar Drohbriefe erhalten. Die rechte Wochenzeitung warf ihm vor, dass er wegen seiner neuen Partnerin einen «neo-linken» Kurs fahre und sich für «urfeministische Ansinnen» wie die Gratis-Abgabe von Tampons und anderen Hygieneartikel einsetze. «Das war einfach zu viel.»

Basel Herter
«Das war zu viel»: Brandenburger und Herter. - M. Fritschi

Herter und Brandenburger sind heute noch ein Paar. Der Rummel um ihre Beziehung hat sich inzwischen gelegt.

Auch Herter hat die Sache abgehakt. «Ich bin kein Griesgrämer und schon gar nicht nachtragend. Ich bin ein harmoniebedürftiger Mensch.»

Aus dem Umfeld des Grossen Rats sind aber nach wie vor Stimmen zu hören, die grosse Karriere-Sprünge ausschliessen. Als Nachfolger von Lukas Engelberger in der Regierung komme er nicht infrage. «Balz ist durch», sagt ein Mitte-Vertreter.

Herter kontert mit einer Aufzählung seiner Erfolge: Seit seiner Wahl in den Grossen Rat im Jahr 2016 – er war schon von 2009 bis 2011 im Kantonsparlament – sei er «nonstop dabei».

Und während seiner siebenjährigen Tätigkeit als Präsident der Basler Mitte sei ihm «doch einiges gelungen». Etwa der in Basel-Stadt umstrittene Namenswechsel von CVP zu Mitte.

Ausserdem habe die Partei unter ihm zulegen können. Bei den Nationalratswahlen 2023 habe er auf der Mitte-Liste «das mit Abstand beste Resultat» erzielt. Und die vielen Panaschierstimmen bei den Grossratswahlen im vergangenen Herbst zeigten, dass er über die Parteigrenze beliebt sei.

Doch reicht das für ein Regierungsamt? Er sei glücklich bei seinem Arbeitgeber Roche. «Aber wenn sich die Chance ergibt, stehe ich gerne zur Verfügung – sofern der Zeitpunkt privat und beruflich für mich stimmt», antwortet Herter.

Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger gehört der Basler Kantonsexekutive seit 2014 an; der 49-jährige Mitte-Politiker ist das amtsälteste Regierungsmitglied. Ob er 2028 für eine erneute Legislatur kandidiert, ist offen. Der Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz wird auch als möglicher bürgerlicher Ständeratskandidat gehandelt.

Zunächst will sich Herter aber auf das Präsidium des Grossen Rats konzentrieren. Das bevorstehende Jahr bringt neben vielen Begegnungen und Anlässen auch Herausforderungen mit sich. Im Grossratssaal wird an seiner Seite vermutlich Beat K. Schaller Platz nehmen. Die SVP hat den 70-Jährigen als Statthalter nominiert. Er setzte sich intern knapp gegen Gianna Hablützel-Bürki durch.

Umstrittener Statthalter

Schaller ist unter anderem wegen seiner Anti-Gender-Rhetorik umstritten; er liess Badges drucken mit dem Slogan, der auf den berühmten Atomkraft-Slogan anspielt: «Gendern, nein danke.» Das Gleichstellungsgesetz bezeichnete er während einer Grossratsdebatte als «wahnwitzige Ideologie».

Im linken Lager stösst Schallers Nomination auf Kritik. Herters Lebenspartnerin Jessica Brandenburger sagte in der bz über den SVP-Grossrat: «Er leugnet den Klimawandel und macht grenzwertige Aussagen über Frauen und die LGBT-Community. Mit seinem Verhalten ritzt er an den Grenzen des parlamentarischen Anstandes.»

Die SP hat Schaller nun zu einem Hearing eingeladen, um zu erfahren, «wie er sich als Grossratspräsident verhalten würde».

Herter gibt sich in seiner Rolle als Fast-Grossratspräsident diplomatisch, streitet aber nicht ab, dass er Schallers Ansichten «ganz und gar nicht» teile.

Im Gegensatz zum pensionierten Mathematiker von der SVP betreibt der Mitte-Mann eine gesellschaftsliberale Politik und befürwortet neben Gratis-Tampons auch den Genderstern.

Das kommt nicht nur bei der Weltwoche schlecht an. Sein Engagement für solche Themen sorgt auch in bürgerlichen Kreisen teilweise für Konsternation.

Brücken bauen – auch zu Schaller

Herter vertraut darauf, dass Schaller die Spielregeln kenne, die für Präsident und Statthalter gelten. «Auf dem Bock spielt die Parteicouleur keine Rolle. Wir sind der Neutralität verpflichtet und wirken nicht spaltend, sondern integrierend», sagt er.

Mit polarisierenden Positionen hat Herter grundsätzlich Mühe, und in diesem Jahr will er diesen erst recht aus dem Weg gehen.

Er will – wie schon einige Grossratspräsidentinnen und Grossratspräsidenten vor ihm – Brücken bauen. Zum Baselbiet, denn die Beziehung zwischen den beiden Nachbarkantonen sei «auf einem Tiefpunkt angelangt». Zum Dreiland, dem Parlament und der Verwaltung. Und ja, auch zu Beat K. Schaller.

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Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst im Basler Newsportal «OnlineReports» publiziert.

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