Beach-Volley-Ball ist gefährlicher als Schwimmen
Der schöne und heisse Sommer lockt die Bevölkerung in Scharen in eines der 17 Stadtzürcher Sommerbäder. Besonders gefordert sind dabei die Bademeister, die weit mehr machen als nur Leben zu retten.
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Sie fallen auf in ihren gelben T-Shirts und mit ihrer ruhigen Art: Die Stadtzürcher Bademeister. Eine von ihnen ist Romana Weiss. Die 56-Jährige mit dem langen geflochtenen Zopf arbeitet in ihrer fünften Saison im Freibad Allenmoos in Zürich-Oerlikon, der liegenflächenmässig grössten Badeanlage in der Stadt Zürich. Sie hat ihren Traumberuf gefunden.
«Es gibt keinen abwechslungsreicheren Job als Bademeisterin», ist sie überzeugt. «Wir machen mehr als nur Wasseraufsicht.« Manch einer wird sein Bild revidieren müssen, wenn er von den vielen Aufgaben hört, die die rund 230 Frauen und Männer täglich in den Zürcher Badeanlagen erledigen.
Dazu gehören neben der Wasseraufsicht unter anderem die technischen Anlagen bedienen, Messungen - beispielsweise bezüglich Wasserqualität - machen, Garderoben, WC und Duschen reinigen, Waren bestellen, Beach-Volleyball-Felder bereitstellen und die Kasse am Eingang oder den Sanitätsposten bedienen. «Jeder macht alles», betont Weiss. Dabei werden die Aufgaben stündlich gewechselt, damit die Konzentration hoch bleibt.
Gleichzeitig sind die Anforderungen an die Bademeister hoch: Sie müssen unter anderem verschiedene Rettungs-Brevets vorweisen und dafür beispielsweise längere Strecken tauchen und in einer gewissen Zeit zurücklegen oder Schwimmer reanimieren können. «Für die Brevets muss man schon fit sein», sagt Weiss, die sich erst mit 50 Jahren entschloss, Bademeisterin zu werden. Sie und ihre Kollegen werden regelmässig kontrolliert und geprüft.
Stamm- und Heimweh-Gäste
Für die Aargauerin, die auch in ihrer Freizeit in die Badi geht, ruft der Arbeitsort manchmal selbst Feriengefühle hervor: «Ich kann draussen und mit Wasser arbeiten; die Besucher sind in Ferienstimmung», sagt sie, die schon immer von Beckenbädern fasziniert war. See und Fluss sind dagegen weniger nach ihrem Geschmack.
Im Allenmoos hat sie eine zweite Heimat gefunden. «Wir haben ein sehr grosses Stammpublikum. Man kennt sich hier mit Namen - und zwar Jung und Alt.« Etwas, das sie sehr schätze. Einige der Stammgäste würden ab dem ersten Tag der Saison bis Saisonschluss täglich um 9 Uhr am Gitter auf Einlass warten - je nach Wetter zwischen 10 und 20 Personen.
Dazu kommen viele Heimweh-Gäste, also Menschen, die mit dem ältesten Beckenbad der Stadt aufgewachsen sind und es auch nach ihrem Wegzug noch ab und zu besuchen. Zudem sei das Allenmoos eine Familien- und keine Szenebadi. Für Weiss ist daher klar: «Ich will in keine andere Badi.«
Abfall wird liegengelassen
Aber natürlich gibt es auch unangenehme Gäste - die Badi als Spiegel der Gesellschaft. Laut Weiss werde viel Abfall liegengelassen und teilweise sei es mühsam, im Wasserbereich die Badeordnung durchzusetzen. Gerade in den Sommerferien, «denn in den Ferien will man keine Regeln», sagt sie. Das zeigt sich auch im Kleinen - beispielsweise dann, wenn die Besucher ihre von Pommes-Frites fettigen Hände im Schwimmbecken waschen.
Doch das Positive überwiegt. Dafür nimmt sie auch die 12-Stunden-Arbeitstage inklusive Mittagspause in Kauf. Ein Privatleben gebe es während der viereinhalb Monate dauernden Saison für sie praktisch nicht. «Ich stehe auf, gehe arbeiten und falle zurück ins Bett.«
Nach der Saison hält sie sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, wieder andere wechseln ins Hallenbad, verreisen ins Ausland oder leben so sparsam, dass sie mit dem erzielten Lohn die Zeit bis zur neuen Saison überbrücken können.
Vorteile der grossen Hitze
Der Arbeitstag im Allenmoos beginnt kurz nach 8 Uhr. Ist das Wetter schlecht, wird die Badi allenfalls um 11 Uhr wieder geschlossen. «An Schlechtwettertagen bauen wir unsere Überzeit ab», sagt Weiss.
Danach sieht es momentan jedoch nicht aus. Kein Problem für die Aargauerin, die in den hohen Temperaturen durchaus auch Vorteile sieht. «Ab 30 Grad werden die Gäste träger», sagt sie. Bei beispielsweise 25 Grad gebe es andere Herausforderungen: «Die Leute sind aktiver und risikobereiter.«
Wenige Zwischenfälle
Laut Stadt leisteten die Badeangestellte im vergangenen Jahr 14'000 Mal Hilfe - vom aufgeschürften Zeh über «Spiesen» bis zum Bienenstich. 62 waren lebensrettende Einsätze. Nicht viele, wenn man bedenkt, dass alleine in der Sommersaison 2017 rund 1,83 Millionen Gäste die Fluss-, See- und Freibäder der Stadt Zürich besucht haben. Zusammen mit den Hallenbäder waren es sogar 3,2 Millionen.
Diese Einschätzung bestätigt auch Weiss. Es gebe nicht viele Vorfälle am Wasser. «In Zürich können die Kinder meistens mit 10 Jahren schwimmen. Das ist gut so.« Und auch beim Nichtschwimmerbecken passiere nicht viel. Da müsse sie doch viel eher wegen Zerrungen beim Beach-Volleyball-Spielen helfend unter die Arme greifen.
Trotzdem gab es in den vergangenen fünf Jahren auch sechs Todesfälle - vier davon während Schönwetterperioden mit hohen Temperaturen. Um einem Kreislaufkollaps vorzubeugen, rät die Stadt daher dringend, vor dem Sprung ins kühle Nass zu duschen oder zumindest Oberkörper, Arme und Kopf mit kühlem Wasser zu befeuchten.
-Mitteilung der SDA (mis)