Wie die Gemeinde Ostermundigen mitteilt, haben die beiden Gemeinderäte die Fusionsverhandlungen abgeschlossen. Im Oktober 2022 startet die Vernehmlassung.
Gemeinde Ostermundigen.
Gemeinde Ostermundigen. - Nau.ch / Ueli Hiltpold
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Im Auftrag ihrer Parlamente haben die Gemeinderäte von Bern und Ostermundigen in den letzten anderthalb Jahren über die Umsetzung einer Fusion verhandelt und die für einen Zusammenschluss erforderlichen Rechtsgrundlagen (Fusionsvertrag und Fusionsreglement) vorbereitet.

Am 16. beziehungsweise 17. August 2022 haben die beiden Exekutiven nun dazu wesentliche Eckwerte verabschiedet. In den nächsten Wochen werden der Umsetzungsvorschlag für die Fusion, der Fusionsvertrag, das Fusionsreglement und die erläuternden Berichte finalisiert und anschliessend der Öffentlichkeit vorgelegt; die öffentliche Vernehmlassung zum Fusionspaket ist von Mitte Oktober bis Mitte Dezember 2022 geplant.

Klarheit über die Auswirkungen einer Fusion

Von Schulen und Kitas über Vereine und Sportanlagen bis zum Steuerfuss und Abfallwesen: Das ausgehandelte Gesamtpaket klärt viele relevante Fragen im Zusammenhang mit einer möglichen Fusion. Den Gemeinderäten von Bern und Ostermundigen ist es gelungen, die Anliegen beider Seiten zusammenbringen und über alle Dossiers hinweg eine ausbalancierte Lösung zu finden.

Massgebend für den Verhandlungsprozess war der Grundsatz, die Strukturen und Rechtsgrundlagen nur so weit anzupassen, wie dies im Interesse einer erfolgreichen Fusion unerlässlich erscheint. Auf weiterreichende Reformen wurde bewusst verzichtet, um das Fusionsprojekt nicht zu überladen.

Gleichzeitig klärt das nun vorliegende Gesamtpaket weit mehr Fragen, als dies bei vergleichbaren Fusionsprojekten im gleichen Zeitpunkt der Fall war. Dies ermöglicht es den Bürgern, sich ein umfassendes Bild über die Auswirkungen einer Fusion zu machen.

Vertretung im Gemeinderat: Innovatives Modell für Ostermundigen

Der Gemeinderat der erweiterten Stadt Bern soll nach einer Fusion unverändert fünf Mitglieder zählen. In den ersten vier Jahren nach dem Zusammenschluss ist vorgesehen, dass ein sogenannter Fusionsbeauftragter oder eine Fusionsbeauftragte die Interessen des neuen Stadtteils Ostermundigen im Gemeinderat vertritt.

Die von den Stimmberechtigten Ostermundigens gewählte Persönlichkeit nimmt bei fusionsrelevanten Geschäften an den Gemeinderatssitzungen teil, hat eine beratende Stimme und kann Anträge stellen. Unterstützt wird die fusionsbeauftragte Person von einer Stadtteilkommission, die als Anlaufstelle für die Bevölkerung, Vereine und Wirtschaft Ostermundigens dient.

Das von der Stimmbevölkerung Ostermundigens gewählte Gremium verfügt über ein Budget unter anderem für Vereine und Anlässe, kann Befragungen durchführen und Versammlungen einberufen. Dank ihrer öffentlich-rechtlichen Verankerung und der vielfältigen Kompetenzen stellt die geplante Kommission schweizweit eine wohl einzigartige Form der Mitwirkung dar.

Das innovative Modell trägt der dörflichen Polit-Kultur Ostermundigens Rechnung. Mit der fusionsbeauftragten Person ist sichergestellt, dass der Stadtteil Ostermundigen in allen für den Zusammenschluss relevanten Fragen mitreden und Einfluss nehmen kann.

Wähler aus Ostermundigen entscheiden mit

Zudem können die Wähler aus Ostermundigen so den ganzen Gemeinderat inklusive Stadtpräsidium wählen (statt nur eine Person) und ihre volle Stimmkraft entfalten. Im Übrigen ist es ohne Weiteres denkbar, dass eine Kandidatur aus Ostermundigen aus eigener Kraft den Sprung in die Stadtregierung schafft.

Das Parlament von Ostermundigen hatte im Februar 2022 eine vollwertige Vertretung Ostermundigens in der künftigen Exekutive gewünscht. Diese Lösung haben die Gemeinderäte von Bern und Ostermundigen aus folgenden Überlegungen verworfen: Eine befristete Aufstockung des Gemeinderats um einen Ostermundiger Sitz würde zwar die direkte Mitbestimmung ermöglichen.

Ein im Majorzverfahren gewähltes zusätzliches Mitglied mit vollem Stimmrecht könnte aber bewirken, dass die Zusammensetzung des Gemeinderats nicht mehr den politischen Kräfteverhältnissen über das ganze Stadtgebiet hinweg entspricht. Das wäre politisch und rechtlich heikel.

Das Parlament von Ostermundigen nimmt an seiner Sitzung vom 1. September 2022 einen Zwischenbericht zu den Fusionsverhandlungen zur Kenntnis und beurteilt in diesem Rahmen auch den Vorschlag für die Vertretung Ostermundigens in der künftigen Exekutive.

Pragmatisches Vorgehen und gleiche Leistungen

Bei der Aufgabenerfüllung in der fusionierten Gemeinde berücksichtigt der von den beiden Gemeinderäten ausgehandelte Umsetzungsvorschlag die Besonderheiten und Sensibilitäten von Bern und Ostermundigen; in gewissen Bereichen wird im Sinn der Vielfalt von einer Vereinheitlichung abgesehen.

So können etwa die Vereine im Stadtteil Ostermundigen wie bisher die Infrastruktur (Beispiel Schul- und Sportanlagen) kostenlos nutzen. Umgekehrt bleibt in der Stadt Bern der Eintritt für jene Bäder kostenlos, wo dies bereits heute der Fall ist, während der Zugang zum Freibad Ostermundigen kostenpflichtig bleibt.

Bereits aufgegleiste Planungen laufen weiter und die baurechtlichen Regeln bleiben vorerst parallel gültig. So lassen sich bisherige Arbeiten und Erkenntnisse optimal nutzen. Ostermundigen kann seine Ortsplanungsrevision O’mundo zu Ende führen.

Auch sonst wird ein pragmatisches Vorgehen gewählt: Weil die Verhältnisse auf dem Wohnungs- und Immobilienmarkt in Bern anders sind als in Ostermundigen, soll dort nach einer Fusion die Wohn-Initiative der Stadt Bern vorerst keine Anwendung finden.

Eltern aus Ostermundigen erhalten mehr Unterstützung

Bei der Kinderbetreuung ist geplant, dass nach einer allfälligen Fusion ab 2025 in allen Stadtteilen die gleiche Praxis für die Kita-Betreuungsgutscheine und dieselben Rechtsgrundlagen gelten. Eltern in Ostermundigen erhalten mehr finanzielle Unterstützung pro Betreuungstag und eine Vergünstigung für Säuglinge. Auch bei der Ferienbetreuung durch Tagesschulen sollen Eltern in Ostermundigen schrittweise die gleichen Ansprüche erhalten wie in den anderen Stadtteilen.

In vielen Bereichen wird eine allfällige Fusion im Alltag der Bürgerinnen und Bürger kaum spürbar sein. So bleiben etwa die Schulstandorte bestehen. Auch auf die Abfallentsorgung oder die Einsatzbereitschaft der Sanität und Feuerwehr hat die Fusion keine direkten Auswirkungen.

Fusion führt zu keiner Steuererhöhung

Die Leistungsanpassungen an das Niveau der Stadt Bern führen in der fusionierten Gemeinde zu jährlich wiederkehrenden Mehrkosten von rund 3,1 Millionen Franken. Dazu kommen aufgrund der Senkung des Steuerfusses für Ostermundigen Steuermindererträge von 5,4 Millionen Franken 2025 und 5,6 Millionen Franken 2026.

Gleichzeitig sind dank der höheren Kreditwürdigkeit der Stadt Bern, grösserer Einkaufsvolumen im Versicherungsbereich und verbesserter Bewirtschaftung des Finanzvermögens wiederkehrende Entlastungen von rund 0,8 Millionen Franken zu erwarten.

Die einmaligen Fusionskosten betragen je nach Ausgestaltung der Personalvorsorgelösung zwischen 4,2 und 13,1 Millionen Franken. Für das heutige Personal gilt im Fall einer Fusion eine Arbeitsplatzgarantie.

In der fusionierten Gemeinde gilt der Steuerfuss der Stadt Bern. Ostermundigen geht in seiner heutigen Finanzplanung von einer Erhöhung der Steueranlage von 1,69 auf 1,74 bis im Jahr 2027 aus. Da bei einer Fusion die Steueranlage der Stadt Bern übernommen wird, zahlen die Steuerpflichtigen von Ostermundigen – natürliche und juristische Personen – im Moment des Fusionsstarts im Jahr 2025 voraussichtlich zwei Steuerzehntel weniger als ohne Zusammenschluss. Die Fusionskosten führen nicht zu einer Steuererhöhung.

Ob allein oder gemeinsam: Das Ringen um das Haushaltgleichgewicht bleibt sowohl in Bern wie in Ostermundigen anspruchsvoll. Bern und Ostermundigen wachsen und rechnen in den nächsten Jahren mit steigenden Steuererträgen, aber auch mit hohen Investitionen und vorübergehend mit einer höheren Verschuldung. Der ungenügende Selbstfinanzierungsgrad und die Verschuldung zwingen auch in den nächsten Jahren zu einer umsichtigen Finanzpolitik.

Chancen und Potenziale

Über einen längeren Zeitraum schafft eine Fusion in verschiedenen Bereichen das Potenzial, Leistungen professioneller und unter gewissen Voraussetzungen auch günstiger zu erbringen. Gesellschaftliche und technische Herausforderungen wie die Digitalisierung dürften gemeinsam besser zu bewältigen sein.

Auf dem zunehmend hart umkämpften Arbeitsmarkt hätte die fusionierte Gemeinde bessere Karten. Langfristig besteht die Chance, die in Bern und Ostermundigen angestrebten Gebiets- und Arealentwicklungen besser aufeinander abzustimmen und zu optimieren.

Zudem können Doppelspurigkeiten abgebaut und die Prozesse vereinfacht werden, wenn nicht die doppelte Anzahl Gremien über Machbarkeitsstudie, Planung, Einzonung und allenfalls sogar Bauprojekte befinden, sondern nur ein Gemeinderat, ein Parlament und eine Stimmbevölkerung.

Viertgrösste Stadt der Schweiz nach Fusion

Nach einer Fusion zählt die Stadt Bern 162’000 Einwohner und wird zur viertgrössten Stadt der Schweiz. Aufgrund ihrer Grösse und des höheren Leistungsniveaus könnte die fusionierte Gemeinde für Zuziehende attraktiver sein. Das dürfte zu einer im kantonalen Vergleich überdurchschnittlichen Bevölkerungszunahme führen. Damit würden das politische und wirtschaftliche Gewicht und der Einfluss im Kanton Bern zunehmen.

Die Menschen aus Bern und Ostermundigen können in einer fusionierten Gemeinde in ihrem ganzen Lebensraum politisch mitbestimmen. Schon heute bewegen sie sich im Alltag in beiden Gemeinden, doch mitentscheiden können sie nur am Wohnort.

Weiteres Vorgehen

Von Mitte Oktober bis Mitte Dezember 2022 können sich die Bevölkerung, Parteien, Verbände und weitere Akteurinnen und Akteure zum Verhandlungsergebnis (Fusionsvertrag, Fusionsreglement, erläuternde Berichte) äussern. Im Lichte der Vernehmlassung werden die Gemeinderäte von Bern und Ostermundigen das definitive Fusionspaket verabschieden.

Im Sommer 2023 entscheiden die beiden Parlamente und im vierten Quartal 2023 findet in beiden Gemeinden die Volksabstimmung statt. Nehmen die beiden Legislativen beziehungsweise die Stimmberechtigten.

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