Demo-Verbote in drei Städten: Sicherheit geht vor, finden Politiker
In drei Deutschschweizer Städten wurden Kundgebungen zum Israel-Krieg dieses Wochenende verboten. Politiker finden es richtig, doch es bleibt umstritten.
Das Wichtigste in Kürze
- Dieses Wochenende sind in Zürich, Bern und Basel-Stadt Demonstrationen verboten.
- Dies hängt teilweise mit der aktuellen Sicherheitslage zusammen, begründen sie.
- Während Politiker Verständnis zeigen, hat die Stadt Genf noch keine Verbote erlassen.
- Soziologe Marko Kovic findet die Aktion der Städte fragwürdig.
Basel, Zürich und Bern: Die drei Städte haben für dieses Wochenende ein Demonstrationsverbot erlassen – im Berner Fall könnte die Regelung noch länger gelten. Als Grund dafür geben die jeweiligen Sicherheitsdirektionen das explosive Potenzial der Kundgebungen für oder gegen Israel oder Palästina.
Öffentliche Sicherheit gehe über das Recht auf Versammlungs- oder Meinungsfreiheit, finden die Städte also. Das ist richtig, finden Nationalrätinnen und -räte aus Basel-Stadt, Bern und Zürich.
Der Stadtberner Freisinnige Christian Wasserfallen sagt etwa: «Das Risiko von gewalttätigen Ausschreitungen ist riesig. Es darf nicht sein, dass Terror-Gruppierungen wie die Hamas in der Schweiz eine Plattform erhalten.»
Patricia von Falkenstein von der Stadtbasler LDP (Liberal-Demokratische Partei) findet: «Es ist grundsätzlich sehr tragisch, dass die Sicherheitslage zurzeit extrem angespannt ist und deshalb keine Demonstrationen stattfinden können.» Aber die Sicherheit der Bevölkerung stehe an erster Stelle und das sei richtig so. Wenn die Polizei das Risiko als zu gross einschätze, «wird sie dafür ihre Gründe haben», so von Falkenstein.
Mauro Tuena, SVP-Nationalrat aus dem Zürcher Kreis 10, sagt: «Es ist eine Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit und grundsätzlich stehe ich auf der Seite des Rechts auf öffentliche Meinungsfreiheit.» Das Bundesgericht sehe es auch so, sagt Tuena, es habe Corona-Demonstrationen im Nachhinein bewilligt.
«Jetzt ist die Situation aber speziell und ich denke, die Städte haben richtig entschieden: Die Erfahrung aus anderen Ländern zeigt, dass es sonst zu schweren Ausschreitungen und Terrorismus kommen kann.»
Eine Stadt kann noch nicht sagen, ob sie kommende Kundgebungen zum Nahost-Konflikt untersagen wird: Genf. Die Hüterin der «Genfer Konventionen» zum humanitären Völkerrecht hatte letztes Wochenende eine Demonstration von pro-palästinensischen Kräften bewilligt. Diese sei ohne grossen Ausschreitungen vonstattengegangen, berichteten Genfer Medien.
«Wer Freiheit für Sicherheit eintauscht, hat am Schluss weder das eine noch das andere»
Cédric Waelti, Sprecher der Sicherheitsdirektion, sagt, das sei von der Kantonspolizei abhängig. Diese evaluiere die Lage kontinuierlich. Waelti fährt fort: «Genf ist international bekannt und anerkannt als Stadt des Friedens und Dialogs.»
Die Stadt sei es sich deswegen gewöhnt, «fast jede Woche» demonstrierende Menschen zu empfangen: «Nach Diskussionen haben die Genfer Behörden entschieden, es gebe keinen Grund dafür, mit dieser Tradition der Meinungsfreiheit zu brechen.» Deshalb habe man für die pro-palästinensische Demo eine Ausnahme gemacht.
Schweizer Städte sind also bereit, für mehr Sicherheit das hoch gewichtete Recht auf Meinungsäusserung zu opfern. «Das ist ein schlechter Deal», sagt Soziologe Marko Kovic. «Gemäss dem alten Bonmot: Wer Freiheit für Sicherheit eintauscht, hat am Schluss weder das eine noch das andere.»
«Rechtlich erlaubte» Meinungen müsse eine Demokratie aushalten, «und ihnen mit Gegenargumenten begegnen», so Kovic. Deswegen seien diese Verbote problematisch: «Versammlungsfreiheit sollte auch und besonders dann gelten, wenn es um kontroverse, heikle Themen geht.» Der Staat hätte dann die Rolle, allfällige Verstösse gegen den rechtlichen Rahmen zu sanktionieren.
Das Gewaltpotenzial sieht Kovic durch die Demo-Verbote zwar nicht gesteigert. Er beobachte aber, dass manche Gruppierungen es zu Provokationszwecken missbrauchten: Der Soziologe nennt hier etwa Mass-voll.
Aber die Corona-Massnahmen-Kritiker sind nicht die einzigen, die zur unbewilligten Demonstration aufrufen. So haben pro-palästinensische Bündnisse in Basel und Zürich trotz fehlender Bewilligung zu spontanen Kundgebungen aufgerufen.