Taktik und Zufall bestimmen Richterwahlen am Kantonsgericht

Thomas Gubler
Thomas Gubler

Liestal,

Bei der Besetzung der Präsidien am Baselbieter Kantonsgericht agieren die Freisinnigen geschickt. Die Mitte droht hingegen, leer auszugehen.

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Das Baselbieter Kantonsgericht in Liestal. (Archivbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Zwei Gerichtspräsidien am Baselbieter Kantonsgericht werden bald frei.
  • Grosse Verliererin bei dieser Neubesetzung könnte die Mitte werden.
  • Bei der Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht (VV) hofft die FDP, zum Zug zu kommen.

Am Kantonsgericht müssen demnächst zwei Gerichtspräsidien neu besetzt werden – erst das Zivilgerichtspräsidium von Christine Baltzer (FDP) und wenig später das Präsidium der Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht (VV) von Franziska Preiswerk-Vögtli (Mitte).

Beide Präsidentinnen feiern kurz nacheinander ihren 70. Geburtstag und erreichen somit die Altersgrenze. Weil die Gerichtspräsidien im Kanton Baselland jedoch nach einem Gentlemen's Agreement besetzt werden, das den Parteienproporz berücksichtigen soll, ist die Wahl für diese Posten durch den Landrat weitgehend eine politische.

Und wo Politik im Spiel ist, ist Taktik nicht fern. Auch deshalb droht der Mitte bei der Neubesetzung der genannten Präsidien die Rolle der Verliererin. Die Partei hat in der Vergangenheit möglicherweise zu hoch gepokert und riskiert nun, leer auszugehen.

Das Präsidium von Peter Meier und Armin Meyer

Ursprünglich bestand nämlich bei den Freisinnigen der Plan, dass die beiden Präsidentinnen Christine Baltzer und Franziska Preiswerk gemeinsam zurücktreten sollen. Um dann abzutauschen: Baltzers Zivilrechts-Präsidium (70 Prozent) für die Mitte und das Präsidium an der VV (100 Prozent) für die FDP.

Nach Peter Meiers Rücktritt im Jahr 2008 hatte die FDP keinen geeigneten Kandidaten für seine Nachfolge. So erbte die Mitte (damals noch CVP) das VV-Präsidium. Weil die Freisinnigen zu jener Zeit an den Gerichten tendenziell eher übervertreten waren, spielte das für sie keine grosse Rolle.

Das hat sich mittlerweile geändert. Abgesehen davon war für die FDP immer klar, dass sie den Vorsitz in der Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, die in vielen Fällen öffentlich berät, bei der nächsten Gelegenheit zurückholen will. Schliesslich handelt es sich um das vielleicht wichtigste, auf jeden Fall politisch bedeutsamste Gerichtspräsidium im Kanton. Zudem haben sowohl Peter Meier als auch sein Vorgänger Armin Meyer, ebenfalls ein Freisinniger, in der Baselbieter Rechtsprechung Spuren hinterlassen.

Die damalige CVP mochte jedoch bei diesem Handel nicht mitmachen. Stattdessen wollte sie den bestehenden Zustand zementieren und das Präsidium dauerhaft in ihrer Hand behalten. Sie glaubte, über einen Kandidaten für die Nachfolge von Franziska Preiswerk zu verfügen.

Gerichtserfahrung gefragt

Seit einigen Wochen liegt nun die Vorlage zur Neubesetzung des Präsidiums von Christine Baltzer per 1. August 2024 vor. Ihre Nachfolgerin oder ihr Nachfolger soll im Mai vom Landrat gewählt werden. Und fast scheint es, als ob sich die Geschichte wiederholen könnte – wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen.

Die FDP macht wiederum geltend, sie verfüge derzeit über keine geeigneten Kandidaten für das Amt. Der Chef der FDP-Fraktion im Landrat, Andreas Dürr, sagt zu «OnlineReports»: «Gesucht wird ausdrücklich jemand mit Gerichtserfahrung. Und da hat sich aus unseren Reihen niemand gemeldet.»

andreas dürr fdp baselland
Gewiefter Stratege: FDP-Landrat Andreas Dürr. - FDP Baselland

Nun will es aber der Zufall, dass die EVP, die anstelle der FDP gemäss dem Gentlemen's Agreement zum Handkuss käme, in der Person von Kantonsrichterin Susanne Afheldt eine ausgewiesene Kandidatin stellen könnte. «Und da würden wir im Interesse der Gerichte zurückstehen», sagt Dürr.

Von Seiten der EVP dürfte kaum Widerstand gegen dieses Szenario zu erwarten sein. EVP-Vizepräsidentin und Landrätin Andrea Heger gibt zwar zu bedenken, dass eine mögliche Kandidatur für das Gerichtspräsidium noch in den zuständigen Parteigremien diskutiert werden müsse. Dies dürfte aber reine Formsache sein.

Konzentration auf die VV

Ganz selbstlos ist der Verzicht der Freisinnigen allerdings nicht. Denn sie gehen klar davon aus, dass sie gemäss Gentlemen's Agreement beim Rücktritt von Franziska Preiswerk wieder dran sind und dann mit Sicherheit ihre Ansprüche geltend machen werden. «Bekanntlich wollten wir das VV-Präsidium schon immer. Und jetzt hat uns der Zufall in die Hände gespielt», sagt Andreas Dürr.

Über allfällige Personen, die für das VV-Präsidium infrage kommen, mag sich Dürr noch nicht äussern. Es ist aber wahrscheinlich, dass die Freisinnigen im entsprechenden Moment durchaus in der Lage sind, für ihr Wunschpräsidium auch einen Kandidaten oder eine Kandidatin zu präsentieren.

Opfer dieser Zufälle – oder womöglich der freisinnigen Taktik – dürfte dann die Mitte sein.

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Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst im Basler Newsportal «OnlineReports» publiziert.

Kommentare

User #3567 (nicht angemeldet)

Auf Bundesebene hat das Volk im November 21 die Justizinitiative, ein erster Versuch, Bundes-Richter von der Politik unabhängiger zu wählen, mit einem kräftigen NEIN verworfen. Liebes Volk, ihr wollt es offensichtlich nicht anders.

cool

In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich, dass Richter Wahlen von einer Partei Zugehörigkeit abhängig sind. Wo bleibt die Unabhängigkeit der Rechtssprechung.

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Sarah Regez SVP
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