Tag der Familie: Papa-Crash-Kurs bei der Swisscom
Heute ist internationaler Tag der Familie. Meist bedeutet «Familie» noch immer mehr «Mutter». Darum hat Nau den Fokus auf die Väter gelegt: Haben Sie schon mal von Papa-Crash-Kursen gehört?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Swisscom fürchtet den Fachkräftemangel. Darum sollen die Frauen auch nach der Familiengründung berufstätig bleiben.
- Ein Teil des Plans: Männer stärker in die Elternschaft einbinden und dazu animieren, Teilzeit zu arbeiten.
- So will die Swisscom für mehr Gleichberechtigung sorgen.
- Nau hat mit einem Papa, der im Väterkurs war, über die Freuden und Sorgen der Vaterschaft gesprochen.
Bevor Reto Wehrli Vater wurde, hatte er Vorstellungen und Vorsätze. Mithelfen, von Anfang an, zum Beispiel. Keiner der Väter sein, die nicht anpacken. Ab und an Homeoffice, während das Kind schläft.
Bloss: Durchschlafen ist nicht gerade eine Spezialität von Säuglingen. An Mamas Brust saugen hingegen schon. «Was für den Vater zu tun bleibt, ist alles Andere», sagt Wehrli. Dabei hat doch auch Papa sich auf den Nachwuchs gefreut. «Wenn man dann plötzlich das fünfte Rad am Wagen ist, ist das nicht immer einfach», sagt Wehrli.
Baby-Talk
Klar hat Wehrli Freunde, mit denen er über die Vaterschaft spricht. Arbeitskollegen auch. «Aber wir besprechen das Thema jetzt halt nicht in jeder Pause», sagt er. Auch, weil Männer von anderen weniger auf das Thema angesprochen werden. Und wenn, dann klingt das meist so:
«Schläft sie schon durch?» «Nimmt sie schon das Fläschchen?» «Sitzt sie schon?»
Kaum einer fragt: «Ist es so, wie du es dir vorgestellt hast?» Oder: «Macht es dir manchmal Angst, zu wissen, dass jetzt plötzlich zwei weitere Menschen komplett von deinem Einkommen abhängig sind?» Auch selten auf der Small-Talk-Agenda: «Hast du Angst, im Job etwas zu verpassen? Plötzlich hinterher zu hinken, weil deine Prioritäten jetzt neu verteilt sind? Hast du Angst, dass es dich den Job kosten könnte, wenn du Teilzeit arbeitest?»
Wehrli aber stellt sich diese Fragen. Doch will Mann darüber reden, muss er selber die Initiative ergreifen. Als Wehrli hört, dass seine Arbeitgeberin, die Swisscom, sogenannte Vater-Crash-Kurse anbietet, schreibt er sich sofort ein.
Männer wollen reden
Das Bedürfnis, mal über die neue Rolle als Vater zu sprechen, hatte nicht nur Reto Wehrli. «Bereits für den ersten Vater-Crash-Kurs haben sich sehr viele Papis gemeldet», sagt Elena Folini. Sie ist Diversity- (also Vielfalts-) Verantwortliche bei Swisscom und hat die Väter-Kurse ins Leben gerufen: Ein kostenloses Angebot für alle Väter in der Belegschaft.
Warum die Swisscom das macht? «Noch spüren wir den Fachkräftemangel in den spezifischen Profilen nicht allzu sehr. Aber das wird sich ändern», erklärt Folini. Pensionierungen stehen an und wenn man die Frauen nicht mobilisieren könne, habe man ein Problem.
Swisscom will die Frauen
Warum aber einen Kurs für Männer anbieten, wenn man eigentlich die Frauen dazu bewegen will, auch nach der Gründung einer Familie berufstätig zu bleiben? «46 Prozent aller Frauen, die bei uns angestellt sind, arbeiten Teilzeit», erklärt Folini. «Bei den Männern sind es gerade mal 11 Prozent.»
Doch erst, wenn man auch Männer dazu animieren könne, sich stärker in der Familienarbeit zu engagieren, bekomme man die Frauen wieder zurück ins Erwerbslebeb. «Zudem haben wir immer wieder die Erfahrung gemacht, dass gemischte Teams einfach besser funktionieren», so Folini.
Im Vater-Kurs
Das also bringt uns zu den Papa-Kursen: Zweimal knapp zwei Stunden diskutieren und beraten die (werdenden) Papis über Mittag. «Was beschäftigt euch gerade am meisten? Welche Ängste habt ihr? Wie steht es mit der Work-Life-Balance? Solche Sachen hat der Kursleiter uns gefragt», sagt Wehrli nach absolviertem Crash-Kurs. «Ich bin wegen dem Kurs jetzt kein besserer Vater», sagt Wehrli mit einem Schmunzeln, «aber der Austausch mit anderen «Leidensgenossen», der hat gutgetan. Nicht nur bei der Vaterschaft, sondern in allen Bereichen finde ich es spannend, mich mit anderen austauschen zu können.» Denn bei der Rolle des Vaters ist aktuell vor einem eines klar: So wie bisher soll sie nicht bleiben. Doch Vorbilder für den neuen Papa fehlen – noch.
Fasziniert habe ihn, dass sich bei vielen Punkten die werdenden Väter auf der einen, und jene, die bereits Kinder haben auf der anderen Seite gefunden hätten. «Man stellt sich vieles einfacher vor, als es ist», sagt Wehrli. «Genau darum ist es so wichtig, dass auch wir Männer miteinander reden.»
Teilzeit auf Probe
Wer eigentlich gerne mehr Zeit daheim hätte, sich aber nicht so ganz vorstellen kann, wie das gehen soll, dem steht ein Testlauf zu: «Eben haben wir ein Projekt gestartet, bei dem alle Mitarbeiter ihr Pensum auf Probe für drei Monate reduzieren könnten.»
40 Männer hatten sich für den Piloten gemeldet, viele mehr sich dafür interessiert. Ob sie nach den drei Teilzeit-Monaten wieder zurück auf 100 Prozent gehen, weiss Folini noch nicht. «Aber selbst beim Testlauf hatte sich nur einer für ein 60-Prozent-Pensum entschieden. Alle anderen wollten 90 oder 80 Prozent testen», so Folini.