Hitchcock-Finale im Vereinsturnen am Eidgenössischen Turnfest
Das Wichtigste in Kürze
- Als am Samstagabend kurz von 21.00 Uhr die Noten der letzten zwei Disziplinen Gymnastik und Barren des TV Wangen SZ durchsickerten, brachen vor der Schachenhalle in Aarau alle Dämme.
Die 74 im Einsatz stehenden Turner und Turnerinnen, Angehörige und Freunde umarmten sich und brachen in Tränen aus, obwohl die letzten Vereine ihren Wettkampf noch nicht beendet hatten. Die Überraschung war geschafft, der Turnverein aus der rund 5000 Einwohner zählenden Schwyzer Gemeinde entthronte den STV Wettingen, den Turnfestsieger 2002 im Baselland, 2007 in Frauenfeld und 2013 in Biel.
Wie bereits vor sechs Jahren hatte Wangen in den ersten beiden Wettkampfteilen mit Steinstossen/Pendelstafette und Schleuderball/Steinheben die Maximalnote 10 erreicht. Auch im Kugelstossen schaffte der Herausforderer das Punktemaximum, so dass die Entscheidung um den Turnfestsieg in den abschliessenden Disziplinen Gymnastik Kleinfeld und Barren fallen musste. Aus Sicht der Schwyzer gelang die notwendige Steigerung in diesen Disziplinen gegenüber 2013, als am Schluss Rang 3 resultierte. Diesmal hatten die Wangener die Nase vorne, am Schluss entschieden zwei Hundertstel gegen Wettingen.
Die Aargauer hatten bei ihrem Heimfest einmal mehr eine starke Performance hingelegt. In den Disziplinen Boden, Sprünge und Schaukelringe brachten sie mit ihren spektakulären Vorträgen die bis zum letzten Platz gefüllten Hallen zum brodeln. Während die grandiose Übung am Boden und der Abschluss an den Schaukelringen mit einer 10 bewertet wurde, sahen die Kampfrichter am Minitrampolin einen kleinen Makel und zogen den letztlich entscheidenden Zehntel ab. 2007 hatten die Aargauer das Punktemaximum erreicht, 2013 reichten 29,98 Punkte zum Sieg.
Dem Herausforderer Wangen blieb der kleine Makel des Favoriten nicht verborgen. «Mein Puls stieg gleich an», sagte Severin Weiss, der Oberturner des TV Wangen. Die Schwyzer waren mit dem Ziel nach Aarau gereist, Turnfestsieger zu werden. «Vor sechs Jahren waren wir Dritter, in den letzten Jahren etablierten wir uns leistungsmässig als Nummer 2», sagte Weiss. «Aber Zweiter zu werden, kann an einem Turnfest nicht das Ziel sein.»
Die Wangener packten die sich ihnen bietende Chance am Schopf. Sie arbeiteten in den letzten Jahren an ihren Schwächen, präsentierten sich bewusst immer wieder vor Publikum und starteten die Vorbereitung auf diese Saison früher als gewohnt. Die Nervosität war zwar auch bei Weiss und seinen Kollegen wie bei den meisten der gut 40'000 in den letzten Tagen im Einsatz stehenden Teilnehmern gross. «Aber wir wussten, dass wir unsere Übungen können.»